Das Elbmonster (German Edition)
seinem grauen Bruder relativ schwer zu bändigen sei. Und tatsächlich würden vereinzelt auch schon Kleinstkinder darunter leiden. Noch uneingeweihte Eltern oder sonstige Familienangehörige der betroffenen Sprösslinge wunderten sich allenfalls oder wären sogar überaus erfreut darüber, dass ihr Nachkomme „auffallend schöne große Augen“ habe, was jedoch auf ein angeborenes Glaukom hindeuten könnte. Wird dies indessen frühzeitig erkannt, ist Hilfe möglich, kann durch einen operativen Eingriff die drohende Erblindung verhütet werden. Der Wissenschaft sei Dank!
Insoweit sollte ich ja noch von Glück reden, dass es mich erst jetzt erwischt hat. Doch es wäre noch nicht zu spät, etwas gegen die ansonsten unaufhaltsame Zerstörung der Sehnerven zu tun, meinte die Spezialistin. Nachdem das erste Medikament nicht den gewünschten Erfolg brachte, war mir Fortuna beim zweiten anscheinend gnädig und die Ärztin mit dem Ergebnis zufrieden. Seither nehme ich täglich je einen Tropfen von einem USA-Produkt namens Ganfort. Hier bin ich ausnahmsweise sehr diszipliniert und konsequent, weil mir die Augen von allen Sinnesorganen die wichtigsten sind.
So, das ist schon mal positiv. Zudem las ich in einer Fachzeitschrift, dass Nikotin prinzipiell schädlich wäre, Alkoholgenuss (!) hingegen nützlich sein könne. Da hätte ich doch wiederum gute Karten. Aber das Besondere kommt ja noch! Vor Kurzem verblüffte mich meine Tochter Anett (Gestalterin des Coverbildes) mit der Frage, ob ich denn neuerdings die Wimpern färben würde. Sie wären sichtlich dunkler als sonst und dem Erscheinungsbild nach wohl auch etwas länger. Darauf antwortete ich ohne Zögern: „Nein, meine Liebe, zu DOUGLAS, GARNIER, L´ORÉAL oder ähnlich renommierten Firmen hatte ich niemals einen heißen Draht, und es wird sicherlich auch dabei bleiben.“ Dessen ungeachtet war ihre Beobachtung richtig, denn inzwischen stellte sich heraus, dass die Veränderung eindeutig auf mein aktuelles Präparat zurückzuführen ist. Na prima! Was denn sonst? Einfach herrlich! Seitdem schaue ich viel öfter in den Spiegel als früher. Und siehe da: Ein fast schöner Mann blickt mir nahezu betörend entgegen! Manchmal jedenfalls, bevor der Wecker klingelt. Ein bisschen gepflegter Narzissmus darf doch gelegentlich sein? Einverstanden? Wirklich vorbehaltlos gebilligt? Okay. Danke!
Ja, nun hoffe ich sehr, dass meine wackeren Mitstreiter sich einigermaßen erholt haben und abermals lebhaften Mutes vereint weiterreisen möchten, zumindest gedanklich. Wunderbar! Los geht’s, avanti!
Ohne jetzt eventuell schon ein wichtiges Geheimnis hinsichtlich der intensiven Verfolgung des vermeintlichen Meißner Phantoms preiszugeben, darf ich jedoch voraussagen, dass sie selbst dann noch nicht beendet sein wird, wenn wir dieses Buch gelesen haben und es wieder beiseitelegen werden. Danach bleibt die kostspielige Suche nach einer ungewöhnlichen Erscheinung freilich nicht mehr ausschließlich auf meine geliebte Heimatstadt und das Abendland beschränkt. Die unerbittliche Treibjagd wird hingegen weltweit erfolgen, und zwar auf der Grundlage eines exakten Psychogramms, das auserwählte Fachleute vom personifizierten Ungeheuer bis dahin erstellt haben werden. Doch auch jene sorgfältig geplante und fortan international durchgeführte Hatz wird auf absehbare Zeit vergebens sein, wie von Sachkundigen zu befürchten ist, weil es sich dabei um einen einzigartigen, geradezu phänomenalen Vorgang handelt. Und ich wage sogar, ernsthaft zu bezweifeln, dass auch nur eine der vielfältigen Nachstellungen jemals erfolgreich abgeschlossen werden kann, es sei denn, der Zufall käme plötzlich zur Hilfe, was aber im hohen Maße unwahrscheinlich ist. Die entsprechende Begründung hierfür wird meinerseits jedem Interessenten noch rechtzeitig und einleuchtend vermittelt.
Was indessen bis dahin unmissverständlich ans Tageslicht tritt, ist die genaue Kenntnis der wirklichen Ursachen für die verhängnisvollen Geschehnisse in Meißen. Das wird allgemein zunächst als ein triumphales Ergebnis verbucht werden, obgleich es auf einem Wege zustande kommt, dem selbst der Keim eines absonderlichen Verbrechens von Anfang an innewohnt. Darin sind sich der Hauptakteur und sein durch Todesdrohung zum unbedingten Beistand genötigter Helfershelfer (?) durchaus vollkommen im Klaren. Sie tun es dennoch und lösen das Problem auf ihre Weise, ein höchst eigenwilliges Vorgehen, das in der gesamten
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