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Das Elbmonster (German Edition)

Das Elbmonster (German Edition)

Titel: Das Elbmonster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerner, Károly
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nämlich auch mit Abscheulichkeiten konfrontiert, die unsereins glattweg den Atem stocken lassen. Die Tatsache, dass sie als verdächtige Royalistin (Königstreue) von den Jakobinern 1789 in ein Pariser Gefängnis geworfen wurde, war sicherlich den damaligen revolutionären Umwälzungen in Frankreich geschuldet. Aber wegen ihrer besonderen Sachkenntnis wurde sie im Kerker auch dazu gezwungen, vom frisch abgehackten und daher noch blutverschmierten Kopf Ludwigs XVI. einen Modellguss aus heißem Wachs und entsprechendem Gips anzufertigen. Zuvor arbeitete sie acht Jahre am Hofe des nunmehr enthaupteten Herrschers, dessen Schädel man ihr in einem gewöhnlichen Einkaufskorb mit dem schroffen Befehl überreichte, durch ihr hervorragendes Können der Nachwelt sichtbar zu dokumentieren, wie mit einem verhassten Kronenträger im Rausche der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ verfahren worden ist.
     
    Anmerkung:
    Der französische König Ludwig XVI. wurde Anfang Januar 1793 vom Nationalkonvent zum Tode verurteilt und schon am 21. desselben Monats in Paris öffentlich hingerichtet, indem man ihn durch die Guillotine enthauptete (das Tötungsinstrument war ein Fallbeil zum Köpfen von Menschen, erfunden von einem Arzt gleichen Namens).
    Den letzten russischen Zaren, Nikolai II., ereilte übrigens ein ähnlich bestialisches Schicksal. Er, seine Gattin und die fünf Kinder wurden während einer verbrecherischen Aktion in der Nacht zum 18. Juli 1818 von Bolschewiken kaltblütig erschossen. Einen Tag darauf verbrannte man zwei der Toten. Die anderen wurden in einer als Wegbefestigung getarnten Grube verscharrt. Ihre Gebeine entdeckte man 1979. Sie wurden erst 1991 sorgsam geborgen. Nach intensiven Untersuchungen erfolgte 1998 die feierliche Beisetzung der sterblichen Überreste in St. Petersburg. Von der russisch-orthodoxen Kirche wird Nikolai II. als Heiliger verehrt.
     
    Doch nach dieser kurzen Andeutung von schier unglaublichen Brutalitäten in geschichtlich längst vergangenen Zeiten kehren wir jetzt schleunigst wieder zur Welt von heute, die sich ja leider vielerorts nicht weniger grausam zeigt. So brachte am 17. April 2001 das ZDF zur fortgeschrittenen Stunde eine Reportage unter der Ankündigung: „Ein Mann räumt auf. Die gnadenlosen Methoden des Sheriffs Joe Arpaio.“ Anscheinend ist dieser Boss eines speziellen Gefängnisses in den USA ziemlich bekannt, und er wird offenbar auch von manchen seiner Landsleute aufrichtig bewundert. Dagegen fühlte ich mich regelrecht in die Sklaverei zurückversetzt. Nicht genug, dass er seine Insassinnen mit Fußfesseln und zusätzlich aneinander gekettet vorführen ließ, demütigte er sie außerdem durch seine verächtliche Äußerung, indem er selbstsicher betonte, die Beköstigung eines Gefängnishundes wäre teurer als die einer Strafgefangenen. Und das war nur ein bezeichnender Ausschnitt aus der insgesamt umfassenden und vor allem überzeugenden Dokumentation. Ja, ein Hund, wie stolz das klingt! Was ist dagegen schon ein Mensch?
    Angesichts solcher Zustände im modernsten Land der unbegrenzten Möglichkeiten hoffe und wünsche ich sehnlichst: Der Herr bewahre uns Europäer für immer von derlei US-amerikanischen Verhältnissen! Aber der liebe Gott überträgt in seiner unermesslichen Großzügigkeit selbst eine so bedeutsame Aufgabe vornehmlich den Politikern. „Ist er da nicht etwas zu leichtfertig?“, mögen hierauf einige besorgt fragen. Nein, entgegne ich voller Zuversicht, denn er entbindet uns damit nicht von der Verantwortung, ebenfalls für das Gemeinwohl zu sorgen, behütend und fördernd nach Maß unserer Kräfte.
    Zu DDR-Zeiten vernahm man hier oft den Parteislogan: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ Und ich Naivling war bestimmt nicht der Einzige, der lange daran glaubte, das müsse schon in Ordnung gehen. Heute verspüre ich auch bei uns die zunehmende „Amerikanisierung“ beinahe aller Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Es ist jetzt ein anderer, noch mächtigerer Bruder, weit überm Großen Teich, dem wir nun schon fast kritiklos nacheifern.
    Stürmen wir damit womöglich zu ungeahnten Höhen jener Kultur, die uns doch bislang ziemlich wesensfremd blieb? Gibt es nichts Interessantes mehr zu entdecken beziehungsweise Neues hervorzubringen im europäischen Raum, auf unserem vertrauten Kontinent? Oder wird letztlich alles den wirtschaftlichen Zwängen einer unaufhaltsamen Globalisierung geopfert?
    Dies ist kein

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