Das Elbmonster (German Edition)
Ausdruck in Form der Gesetzgebung, die ja ausschließlich von Menschen vollzogen wird, fast beliebig erweitert, eingeschränkt oder in Teilbereichen auch völlig gestrichen werden. Die jeweilige Handhabung bleibt ohnehin zumeist dem Ermessen und vor allem der Raffinesse einschlägiger Fachleute überlassen.
Wenn Gesetze auch vornehmlich zur Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen gemacht und durchgesetzt werden, sind sie dennoch kaum geeignet, moralische Vergehen hinreichend zu ahnden. Darum erweist sich die Justiz auch nur in Ausnahmefällen als berufen, die sogenannte Aufarbeitung von Vergangenheit, welche hierzulande schon seit Längerem auf der Tagesordnung steht, einigermaßen zukunftsträchtig zu bewältigen. Das ist weit mehr Aufgabe der Kunst. Diese soll beim Hörer, Leser oder Betrachter eine gewisse Bestürzung auslösen, ihn geistig-psychisch erschüttern und zum entsprechenden Handeln anregen (was zum Beispiel der überwältigende Film „Das Leben der Anderen“ bei mir bewirkt hat). Ansonsten stellen gestalterische Schöpfungen keinen höheren Anspruch, als seichte Unterhaltung zu sein, was freilich in unserem hektischen Alltagsgeschehen ebenso vonnöten ist, damit die oftmals überstrapazierten Nerven wieder Schonung erfahren.
Sicher, namentlich in Zeiten sozialen Umbruchs erhält auch die moralische Euphorie neuen Schwung und gerät bisweilen sogar in schier unbändige Ekstase, indem wir glauben, ein jeder müsse sich vor dem Richterstuhl hoheitlicher Sittenstrenge verantworten oder wenigstens als Person auf die allumfassend lockende Öffentlichkeit verzichten. Oh, wie trügerisch! Was danach bleibt, ist die alte Erfahrung, dass selbst die noch so berauschenden Gedankenflüge wieder in der üblichen Tretmühle landen, und das ist unser Leben mit all seinen Widersprüchen und manchmal äußerst heftig ausgetragenen Konflikten, jedoch auch unendlich schönen Seiten. Diese sorgsam zu bewahren und fortwährend tatkräftig zu erweitern, ist das Wichtigste, was in unserem ständigen Daseinskampf zählt. Dabei sind Wahrhaftigkeit und sich auch mutig wehren können, sofern es darauf ankommt, unerlässliche Begleithilfen. Niemand kann uns verbindlich dazu verpflichten, dass wir uns vor lauter Ehrfurcht irgendwelchen Obrigkeiten gegenüber wiederholt die Wirbel verdrehen. Es sollte doch reichen, wenn sich jene Leute selber wichtig nehmen. Zumindest vor Gott wären angeblich alle Menschen gleich. Warum nicht schon auf Erden?
Jene Kardinaltugenden, die bereits der griechische Philosoph Platon (427 bis 347) forderte, nämlich Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Besonnenheit, bleiben zwar als idealisierte Verhaltensnormen erstrebenswert, sind aber bei keinem menschlichen Wesen in seinen Alltagsbräuchen gebündelt und durchgängig anzutreffen, demnach auch nicht in speziellen Berufen. Daran wird sich auf absehbare Zeit bestimmt nichts Nennenswertes ändern. Infolgedessen unterliegen wir einem fatalen Irrtum, wenn wir hoffend annehmen, insbesondere Juristen könnten der Gerechtigkeit schließlich doch zum erwünschten Durchbruch verhelfen. Damit wären sie eindeutig überfordert, denn sie dienen zuallererst dem Recht und dadurch sich selbst, hernach allenfalls gelegentlich der Moral. Das wissen sie natürlich selbst am besten. Nur die wenigsten geben es ungeschminkt zu.
Einige Berufsvertreter, wie etwa Rolf Henrich, unter anderem Verfasser von „Der vormundschaftliche Staat“ und später des Buches „Die Schlinge“, oder vornweg der weltbekannte amerikanische Erfolgsautor John Grisham, haben dagegen wohl keine Scheu, mit ihrer anwaltschaftlichen Erfahrung schonungslos an die Öffentlichkeit zu treten. Auch wenn man einräumt, dass sie der beabsichtigten Wirkung wegen Einzelnes bewusst literarisch überhöhen, steckt dennoch ein wahrer Kern dahinter.
Im Grunde genommen haben die meisten Anwälte nur eines im Sinn, nämlich gemäß ihrem Prestigedenken viel Geld zu verdienen. Dafür bietet ihnen die Welt des Kapitals auch reichlich Nährboden (womit ich den Berufsstand keineswegs diffamieren möchte, denn wie in jeder Profession gibt es auch hier gewaltige Unterschiede).
Was die Ausbildung des Nachwuchses betrifft, so beschleicht mich ohnedies ein ungutes Gefühl, wenn ich zur Kenntnis nehmen muss, dass sie anscheinend zu einer gewöhnlichen Massenware verkommt. Und ich bin geneigt, bedrängt auszurufen, dass auch diesbezüglich irgendetwas nicht mehr stimmt im Staate Deutschland. Wie sonst
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