Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
Vom Netzwerk:
Erdenmenschen. Den Dilneanern ist es gelungen, sich von ihrer Macht zu befreien, wenn das nicht so wäre, säße ich jetzt nicht mit Ihnen in diesem Hotelzimmer.«
     »Wieder fangen Sie davon an! Sie Starrkopf! Sie bilden sich doch nur ein, Raurbef zu sein, der kosmische Wanderer. Langsam begreife ich. Vielleicht ist das ein psychologisches Experiment. Vielleicht möchten Sie wissen, was in einem Menschen vor sich geht, der sich außerhalb der Gesetze von Zeit, Ort und Entfernung befindet? An Ihrem Gesichtsausdruck spüre ich, daß ich richtig geraten habe.«
     »Wenn Sie beobachten könnten, wie alle Vertreter Ihres Berufes, müßten Sie bemerkt haben, daß mein Gesichtsausdruck häufig wechselt.«
     »Das habe ich bemerkt. Doch was folgt daraus? Sie sind offenbar ein für Eindrücke sehr empfänglicher Mensch.«
     »Vor allem bin ich kein Mensch.«
     »Was sind Sie dann?«
     »Ein Dilneaner.«
     Er lacht. »Mich amüsiert Ihr Starrsinn. Wir hatten uns schon fast geeinigt. Ich hatte erraten, daß Sie Psychologe sind, der an sich selbst eine interessante Erfahrung machen will. Sie aber beharren darauf… Kehren wir lieber zu Ihrer Erfahrung zurück. Sie hat mich sehr interessiert. In der Tat, was muß ein Individuum fühlen, das den Gesetzen der Zeit und des Raumes nicht mehr unterliegt.«
     »Individuum? Sie haben dieses Wort doch wohl nicht zufällig angewandt. Sie sind also schon zur Hälfte damit einverstanden, Haß ich kein Mensch bin. Ich danke für das kleine Zugeständnis, doch Sie müssen sich noch ein klein wenig anstrengen und endlich daran glauben, daß ich von der Dilnea bin.«
     »Nun gut«, sagt er. »Ich bin auch dazu bereit. Ich verstehe. Sie können Ihr Experiment leichter durchführen, wenn es Ihnen gelingt, sich davon zu überzeugen, daß Sie Raurbef sind. Ich will nicht widersprechen. Ich bin bereit, Sie anzuhören.«
     Ich lache, lache aufrichtig und von ganzem Herzen. »Sie möchten also, daß ich an meiner Realität zweifele? Mein Lieber haben Sie mir nicht meine Vergangenheit, mein ganzes Leben, meine Erfahrung, meine Freuden und Leiden geschenkt? Nein, lassen Sie uns doch ganz offen miteinander sprechen. Ich möchte Ihnen auch eine Frage stellen. Woher haben Sie von der Existenz der Dilnea erfahren und wie sind Sie daraufgekommen, daß ich ebenfalls existiere? Ehrlich gesagt, das widerspricht der Logik und dem gesunden Menschenverstand.«
     »Ich habe alles frei erfunden.«
     »Und Sie möchten, daß ich Ihnen Glauben schenke? Sie sind ein Spaßvogel. Oder noch besser, ein Spielet! Ich gebe Ihnen dieses Wort zurück. Hören Sie endlich auf, mit mir zu spielen. Sagen Sie die Wahrheit. Auf der Dilnea schätzt man die Wahrheit nicht weniger als auf der Erde.«
     »Die Wahrheit hat eine Eigentümlichkeit. Es gibt nur eine. Es kann nicht zwei Wahrheiten auf der Welt geben. Es gibt nur eine Wahrheit.«
     Plötzlich schweigt er. Dann erhebt er sich aus dem Sessel, verabschiedet sich und geht.
     Damit ist unser seltsames Gespräch beendet.
    15

    Ich bin kein Mensch. Ähnlich dem Melmoth kann ich mich innerhalb weniger, Augenblicke überall dort befinden, wo es mir beliebt. Im Grunde ist jeder, der von der Dilnea stammt, ein Melmoth oder ein Goethischer Faust. Ein Mensch, der den Tod nicht kennt, ist kein Mensch mehr. Das ererbte Informationsgedächtnis unterrichtet die Moleküle und Zellen meines Organismus über ihr eigentliches Sein und über ihre Treue sich selbst gegenüber; es fürchtet keine Entropie, kein »Altern«, wie die Menschen es nennen. Ich werde ewig jung sein. Schon Balzac ahnte, was das bedeutet.
     Was bedeutet es also? Ich werde es gleich erklären. Ein Mensch, der, unabhängig von den Gesetzen der Zeit und des Alterns, die Vergänglichkeit besiegt, hört auf, Mensch zu sein. Zellen und Moleküle altern nicht. Doch wie steht es mit dem Gedächtnis? Sind ihm etwa keine Grenzen gesetzt? Kann dieser neue, niemals alternde Mensch seine ganze Vergangenheit, die Jahrtausende umfaßt, immer mit sich oder in sich herumtragen?
     Auf diese Frage kann ich keine genaue Antwort geben. Ich lebe ja erst 350 Jahre. Aber Geduld – irgendwann werde ich einmal antworten. Ich befinde mich ja erst am Anfang meines langen Weges. Die Wissenschaft auf der Dilnea hat erst vor relativ kurzer Zeit erkannt, wie man den Augenblick anhält und die Entropie auf dem Leben der Molekular- und Zelleninformation entfernt. Aber davon ahnt niemand etwas, am wenigsten Vera.
     Vera! Sie besteht noch

Weitere Kostenlose Bücher