Das elektronische Glück
Emotionellen zu trennen. Weder beklagen noch verabscheuen, sondern begreifen. Das ist die Devise!«
»Wer ist auf Erden wohl besser vorbereitet als ich? Ich bin Astrobiologe und Autor phantastischer Erzählungen. Ich habe es täglich mit äußerst ungewöhnlichen und vom allgemein Üblichen abweichenden Dingen zu tun.«
»Warum regen Sie sich denn so auf? Warum wollen Sie den Rat Spinozas nicht beherzigen? Weshalb erheben Sie Ihre Stimme, anstatt ruhig die Lage zu erörtern. Sprechen wir offen: Es ist eine paradoxe Lage, eine Lage, in der selbst ich mich nur schwer zurechtfinde. Übrigens, kennen Sie die Theorie Tinejs?«
»Davon höre ich zum erstenmal. Wer ist das, Tinej?«
»Tinej ist ein großer Physiker und Mathematiker auf der Dilnea, er hat ganz neue Prinzipien der mathematischen Logik entwickelt.«
»Von der Dilnea? Lassen Sie den Unsinn. Die Dilnea existiert nicht. Sie ist das Produkt meiner Phantasie.«
»Ruhig, ganz ruhig, mein Lieber. Wenn Sie sich so aufregen, können wir uns nicht verständigen. Wir beide wollen jetzt nicht entscheiden, ob die Dilnea existiert oder nicht. Wir wollen nur über Tinej und seine Theorie sprechen. Gäbe es die physikalischen Ideen Tinejs nicht, hätte ich nicht auf Ihren Planeten fliegen können! Vielleicht bilden Sie sich ein, ich sei hierher geraten dank dem naiven und unsinnigen Mittel, wie Sie es sich in Ihrer Erzählung ›Uära‹ ausgedacht haben?«
»Wieder beharren Sie auf Ihrem Standpunkt!« unterbricht er mich. »Ich verstehe gar nichts, beginne aber zu begreifen. Vielleicht ist das eine besondere, immanente Art der Kritik? Der mit Ironie und Skepsis ausgerüstete Kritiker gibt sich für den Helden des Werkes aus und versucht gewissermaßen, es von innen her zu kritisieren?«
»Sie sind ein Anthropozentrist! Ein Anthropozentrist, obwohl Sie über den Kosmos schreiben. Sie glauben, daß die ganze Welt sich um Sie dreht. Sehen Sie ein wenig von Ihrer eigenen Person ab und versuchen Sie, meine Worte zu verstehen; folgen Sie dem Rat Spinozas.«
»Was hat das mit Spinoza zu tun? Weshalb verstecken Sie sich hinter dem Rücken dieses Weisen? Ich glaube beinahe, ich bin das Opfer eines unwürdigen Spiels, eines bedauerlichen Experiments und dummen Scherzes geworden. Wer sind Sie?«
»Wer ich bin? Wie oft soll ich Ihnen noch auf diese Frage antworten! Ich bin jener, der niemandem ähnlich ist.«
»Das ist nicht viel!«
»Ich…«
»Sie sind ein Spieler!«
»Ja, ich bin ein Spieler. Endlich haben Sie das treffende Wort gefunden. Ich spiele mit Zeit und Raum, um etwas sehr Wichtiges zu gewinnen.«
»Und was?« fragt er lächelnd.
»Die Möglichkeit, ›hier‹ und ›dort‹ gleichzeitig zu sein. Ich bin ein Spieler. Sie haben das treffend formuliert. Sehr treffend.«
»Klammern Sie sich nicht an Worte. Ich hatte etwas ganz anderes im Auge: einen Spieler, der ein Spiel spielt, wie es einem erwachsenen Menschen nicht ansteht. Das ist ein Dummerjungenstreich. Schluß damit, ich lasse mich nicht für dumm verkaufen. Ich kann Maßnahmen ergreifen.«
»Und was für welche? Das ist ja interessant.«
»Ganz beliebige, aber solche, die Ihrem unwürdigen Spiel sofort ein Ende setzen. Mich kennt man recht gut in Ihrer Universität.«
»Es gibt ein besseres Mittel, wenn Sie sich von mir befreien wollen.«
»Welches denn?«
»Schicken Sie mich doch auf die Dilnea zurück. Über Ihre Erfindung verfügen Sie ja wohl allein? Oder haben Sie einen Mitautor?«
»Genug! Hören Sie auf! Ich bin nicht hierhergekommen, um dieses unwürdige Spiel in die Länge zu ziehen.«
»Weshalb sind Sie dann gekommen?« Er antwortet nicht, es ist, als hätte er meine Frage gar nicht gehört.
»Weshalb also?« wiederhole ich.
»Stellen Sie sich vor«, sagt er leise und traurig, »ich weiß selbst nicht, warum.«
Mich erschüttert der aufrichtige, beinahe rührende Ton, in dem er dies sagt.
»Ich habe Sie lange gesucht«, fährt er fort, »Sie haben mir Ihre Adresse nicht zurückgelassen. Ich habe Sie gesucht, aber manchmal schien es mir, als ob ich nicht Sie, sondern mich selbst suchte. Nach Ihrem Besuch war irgend etwas in mir zerstört worden. Es war, als hätten Sie mir etwas genommen und mit sich fortgetragen. Es war mir nicht sofort klar, daß Sie mir meine Sicherheit genommen und weggetragen haben. Die Menschen lieben nichts Geheimnisvolles und Rätselhaftes. Deshalb ist ja gerade vor vielen Jahrhunderten die Wissenschaft
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