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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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überall trage ich das Etui bei mir; darin ist diejenige, die mit mir von der Dilnea hergeflogen ist.
     Manchmal bleibe ich irgendwo in einem stillen Winkel des Waldes auf einer Lichtung stehen, schaue mich um, und wenn niemand in der Nähe ist, hole ich das Etui hervor und nehme das Klümpchen wunderbarer Materie heraus.
     Gerade jetzt habe ich es wieder hervorgeholt. Ringsum ist niemand. Tiefe Stille.
     »Eroja«, frage ich leise, »hörst du mich?«
     »Ich höre dich, Raurbef«, antwortet sie. Und dann fragt sie ihrerseits: »Müssen wir noch lange auf diesem seltsamen und erstaunlichen Planeten bleiben?«
     »Ich weiß nicht, Eroja«, entgegne ich.
    »Wer weiß es denn sonst?«
     »Natürlich niemand, aber für uns ist es noch zu früh, nach Hause zurückzukehren.«
     »Nach Hause?« Sie ertappt mich bei einem nicht ganz exakt angewandten Wort. »Du sagst, nach Hause? Haben wir etwa ein Zuhause? Wir beide sind doch ewige Wanderer.«
     »Du hast recht, Eroja. Ich kann nicht lange an einem Ort bleiben, mich zieht es in die Ferne, das Unbekannte lockt, die Unendlichkeit der Zeit und des Raumes.«
     »Und warum willst du so lange hierbleiben?«
     »Du weißt, warum, Eroja. Ich schreibe ein Buch, in dem ich all das darlegen möchte, was Wissenschaft und Technik auf der Dilnea erreicht haben. Das ist mein Geschenk an die Menschen auf der Erde. Ich habe sie liebgewonnen, Eroja.«
     »Weswegen?«
     »Weil sie Menschen sind, weil sie die Welt und sich selbst verändern. Unlängst ging ich die Straße entlang. Da kam mir eine junge Mutter entgegen, vor ihr fuhr ein Wagen, ein automatischer Kinderwagen mit einem Kind. Ich fragte die mir unbekannte Frau, ob ich ihr Kind bewundern dürfe, und bat sie, den Wagen anzuhalten. Sie erfüllte mir die Bitte. Ich nahm das Kind auf die Arme. Es war ein reizendes Mädchen. Sie hieß Lenotschka. Sie konnte noch nicht sprechen, sondern lallte nur. Ich hörte ihr Lallen und hielt sie auf dem Arm. Sie faßte mir mit ihren kleinen Händchen ins Gesicht und zauste mich an den Haaren; mir war, als hielte ich die ganze Menschheit auf dem Arm. Das Kind lachte. Plötzlich durchfuhr mich ein unerwarteter Schmerz. Mir war, als müßte ich mich von der Menschheit trennen und die Erde verlassen, um nie wieder auf sie zurückzukehren. Verstehst du dieses Gefühl, Eroja?«
     »Ich verstehe es, Raurbef. Du möchtest nicht mehr weg. Dir gefällt es hier.«
     »Das ist nicht das richtige Wort. Es geht nicht darum, ob es mir hier gefällt oder nicht gefällt. Mir hat es überall gefallen. Doch du hast recht: Ich möchte nicht mehr weg. Ich habe die Erde liebgewonnen, das Singen der irdischen Vögel, den Duft der irdischen Zweige. Ich sehe mir alles ringsum an und kann mich nicht satt sehen. Verstehst du das, Eroja?«
     Sie schweigt. Als Klümpchen Materie, als Informationsspeicher, kann sie sich nur an Vergangenes erinnern, an jene fernen und fremden Erlebnisse, die sich in ihrem künstlichen und kunstvollen Mechanismus widerspiegeln. Ich hätte sie nicht danach fragen sollen, was sie nicht weiß und nicht wissen kann.

    17

    Ich habe das Etui verloren. Wie konnte das geschehen? Ich weiß es selbst nicht. Vielleicht habe ich es auf der Waldlichtung oder auf einem Berggipfel liegenlassen? Anfangs konnte ich es einfach nicht fassen. Aber dann, als mir die volle Tragweite des Geschehenen bewußt wurde, war ich verzweifelt. Jetzt ist Eroja nicht mehr bei mir, das Klümpchen Materie, das die ferne und heimatliche Welt in sich birgt. Natürlich habe ich zu niemandem von meinem Verlust gesprochen. Ich hoffe immer noch, das Etui wiederzufinden. Täglich gehe ich auf die Suche. Natürlich könnte das dünne Fädchen, das mich mit der Vergangenheit verband, einmal reißen. Aber ich muß das Etui wiederfinden, und sollte ich ein Jahr danach suchen.
     Eine Woche vergeht, und da finde ich es eines Tages. Das Etui liegt im Gras. Ich öffne es und hole das Klümpchen Materie heraus. Hier liegt es, auf meiner Hand. Vorsichtig lege ich es auf einen Stein, sehe mich um, ob niemand in der Nähe ist, und rufe: »Eroja, hörst du mich?«
     Schweigen.
     »Eroja!« wiederhole ich lauter. »Hörst du mich?«
     Wieder keine Antwort.
     Der Mechanismus ist doch nicht etwa defekt? denke ich bei mir. Oder war das Klümpchen Materie vielleicht in fremden, unbefugten Händen?
     »Eroja?« schreie ich.
     Plötzlich höre ich, meinen Ohren nicht trauend und noch völlig verständnislos: »Bist du es, Raurbef? Sei

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