Das Elfenportal
sprengte die Scharlachrobe und setzte gewaltige Muskelbündel an. Sein Schädel verformte sich, seine Gesichtszüge wurden wild. Widderhörner durchstießen seine Stirn und wuchsen in mächtigen Kringeln um seine Schläfen herum. »Frischt das Eure Erinnerung auf?« Selbst seine Stimme hatte sich verändert. Die glatten, wohl modulierten Töne grollten jetzt wie Donner.
Pyrgus schnappte nach Luft. Das war das Wesen, das Brimstone heraufbeschworen hatte, das Wesen, das ihn gerade zu töten versucht hatte, als die Garden seines Vater gekommen waren. »Sie sind – Sie sind – «
»Prinz Beleth, wenn es Euch beliebt!«, lachte der Dämon.
Ein Prinz! Die Verwandlung war erstaunlich. »Ist das Eure wahre Gestalt?«, fragte Pyrgus.
Beleth schüttelte den Kopf. »Selbstverständlich nicht. Das ist nur Teil der Schau, die wir für alte Narren wie diesen Brimstone abziehen. Er hält sich für einen Meister des Illusionszaubers, aber einmal in Frage zu stellen, was er selbst sieht, auf die Idee kommt er nicht.« Die Riesengestalt schrumpfte, bis Pyrgus wieder dem Wesen in der Scharlachrobe gegenüber stand. Es sah nicht weniger furchterregend aus als das Vieh mit den Hörnern. Dieser Beleth war ein ernst zu nehmender Gegner, dachte Pyrgus, ganz gleich, in welcher Gestalt er daherkam.
»Oh, danke schön«, sagte Beleth und bewies damit erneut, wie leicht es ihm fiel, Pyrgus’ Gedanken zu lesen. Er schaute auf die Landkarte hinab und dann wieder Pyrgus an. »Vermutlich fragt Ihr Euch gleich, wie Ihr in diesen Schlamassel geraten seid.«
Pyrgus, der sich gerade hatte fragen wollen, wie er in diesen Schlamassel geraten war, kroch ein Schauder den Rücken hinauf. Wie sollte man einem Wesen entkommen, das einem jeden Plan von den Gehirnwindungen ablas, noch bevor man ihn schmiedete?
»Praktisch ein Ding der Unmöglichkeit«, erklärte Beleth. »Warum hört Ihr also nicht auf, Euch darüber den Kopf zu zerbrechen – dann befriedige ich im Gegenzug Eure Neugierde, was ein, zwei Angelegenheiten betrifft, die Euch Sorge bereiten. Wie sieht es aus, Prinz Pyrgus? Ist das ein Angebot?«
Pyrgus merkte, wie seine Kopfschmerzen zunahmen. Ihm gefiel der Gedanke nicht, mit einem Dämon einen Handel einzugehen, aber im Augenblick wusste er auch nicht, was er sonst tun sollte. Entkommen konnte er momentan jedenfalls nicht, egal was er tat. Außerdem wollte er tatsächlich gern wissen, wie er hier gelandet war – und noch ein, zwei Sachen mehr. Angefangen damit, warum Brimstone ihn diesem Wesen hatte opfern wollen.
»Na«, sagte Beleth, »fangen wir am besten einmal damit an, wie Ihr hierher gekommen seid. Das mit Brimstone heb ich mir auf – das Beste zum Schluss, wie es so schön heißt. Ihr seid hier, weil wir uns an Eurem Portal zu schaffen gemacht haben – darum seid Ihr hier. Dass wir dazu in der Lage sind, weiß wohl kaum jemand.«
Pyrgus hatte es jedenfalls nicht gewusst. Er hatte nie auch nur andeutungsweise davon gehört, dass Dämonen sich je an einem Portal zu schaffen gemacht hatten. Er fragte sich, ob Beleth sagte: »– wir es sind, die Euch vom Kurs abgebracht haben, als Ihr in die Gegenwelt übertragen worden seid. Aber ja. Wir hatten natürlich Helfer im Haus Iris. Wir brauchten ja die Zielkoordinaten. Euch dieses Mal abzufangen war viel einfacher – die Koordinaten für Eure Rückkehr konnten wir uns ja denken. Es ging nur noch darum, auf das Signal zu warten und Euch beim Durchschreiten des Portals umzuleiten.«
»Aber warum?«, fragte Pyrgus.
»Weil Brimstone es nicht geschafft hat, seinen Teil des Paktes zu erfüllen«, erklärte Beleth geduldig. Er lächelte und zeigte dabei kleine Dämonenzähne. »Also muss ich mich selbst darum kümmern.«
»Nur sieben Silberlinge die Woche«, schnatterte die zahnlose Alte. »Für den Betrag werden Sie im ganzen Reich nichts Besseres finden, junger Herr.« Sie grinste und setzte eine wissende Miene auf. »Und auch nichts Verschwiegeneres.«
Brimstone besah sich angewidert seine neue Bleibe. Sie bestand aus einem verdreckten Zimmer mit einem kaputten Fenster. Als Bett diente ein Haufen Stroh in der Ecke, der von Ungeziefer wimmelte. Die einzigen Möbelstücke waren ein wackeliger Tisch und ein Holzstuhl. Von nun an würde er hier schlafen und essen –
»Mahlzeiten gehen extra«, fügte die Alte hinzu, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
– und sich nur nach Einbruch der Dunkelheit hinauswagen. »Ich nehme es«, sagte er zu der alten Vettel. Er warf ihr ein
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