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Das Elixier der Unsterblichkeit

Das Elixier der Unsterblichkeit

Titel: Das Elixier der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Gleichmann
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Reformen in den europäischen Königreichen und deutete an, dass Ludwig XVI. der König war, der, um Frankreichs Position in der Welt zu stärken, mit leuchtendem Beispiel vorangehen solle. Es war ein ausgezeichneter Text. Trotz der ihm eigenen Bescheidenheit war Nicolas sicher, dass sein Aufsatz den Wettbewerb gewinnen würde. Doch statt des Triumphs sah er darin eine furchtbare Bedrohung, wurde doch dem Gewinner die Gunst zuteil, den Text vor König Ludwig XVI. und Königin Marie Antoinette vorzulesen. Nichts konnte Nicolas einen größeren Schrecken einjagen als diese Vorstellung. Ohne sich weiter zu erklären, gab er den Aufsatz Maximilien, der sogleich einverstanden war, ihn dem Rektor als seinen eigenen zu präsentieren.
    Jahre später, als Nicolas in der Conciergerie saß, sollte er sich bis ins geringste Detail an das erinnern, was geschah, nachdem der Rektor den Namen des Gewinners im Aufsatzwettbewerb bekanntgegeben hatte: Maximilien Robespierre.
    Das Armenkind aus Arras, das schon früh im Leben von der Mutter und vom Bischof zu hören bekommen hatte, sein Schicksal würde mit der Geschichte zusammenfallen, war unsäglich glücklich. Den König und die Königin zu treffen war schon lange sein Traum gewesen.
    Die Lesung war für elf Uhr am 1. November 1774 vorgesehen. Dann sollte das Königspaar in seiner Karosse an der Schule vorbeifahren, auf dem Schulhof anhalten, den Huldigungsaufsatz anhören und weiterfahren. Maximilien nahm seinen Platz schon eine Stunde vorher ein. Es war der kälteste Tag des Jahres. Der Wind heulte, Regen und Hagel peitschten ihm ins Gesicht. Er fluchte über das Wetter und versuchte, sich Wärme in die Hände zu hauchen. Die Ankunft des Königspaars verzögerte sich. Nach zwei Stunden waren alle anderen Schüler ins Gebäude gegangen, um sich aufzuwärmen. Nur Maximilien blieb auf dem Hof stehen. Der Rektor winkte ihm, hereinzukommen, aber Maximilien wandte ihm trotzig den Rücken zu. Der Rektor sagte, noch nie habe er einen derart starrsinnigen Jungen gesehen. Nicolas fürchtete, sein Freund würde seine Gesundheit aufs Spiel setzen. Die Kameraden erklärten ihn für verrückt. Lange gelang es Maximilien, seine Enttäuschung über die Verspätung des Königspaares zu verbergen und tapfer gegen die grausame Witterung anzukämpfen. Aber als der königliche Wagen kam und vorbeifuhr, ohne anzuhalten, brach er in Tränen aus.
    Entweder waren es die fünf eiskalten Stunden auf dem Schulhof oder der geborstene Traum von der Huldigungsrede an den König, die dazu führten, dass Maximilien Ludwig XVI. aus ganzem Herzen hasste, als er ins Schulgebäude zurückkehrte. Die Kameraden trauten ihren Ohren nicht, und einige schüttelten den Kopf, als sie ihn Verwünschungen ausstoßen hörten. Alle glaubten, er sei wahnsinnig geworden, denn er gelobte, den König hierfür teuer bezahlen zu lassen. Mit seinem Leben.
    Maximilien sagte, sein eigenes Leben habe jetzt ein Ziel und einen Sinn bekommen. Er würde dafür sorgen, dass der König eines Tages hingerichtet würde. »Ludwig muss sterben«, rief er, »damit dieses Land leben kann.«
DIE LETZTE NACHT IN DER ZELLE
    Ende März 1786 begegnete Nicolas zum ersten Mal der Frau, mit der er zwei Monate später die Ehe eingehen sollte und die ihm zwei Söhne gebar. Es geschah in Rom.
    All dies steht in dem kleinen Notizbuch, das Rektor Charrier zu ihm hineingeschmuggelt hatte. Er war der einzige, der Erlaubnis erhielt, ihn in der Gefängniszelle zu besuchen. Nicolas schrieb das Buch mit unerhörter Selbstbeherrschung bis auf die letzte Zeile voll, bevor Robespierre ihn enthaupten ließ, weil Nicolas von dem Schreckensregime seines Freundes genug gehabt und es gewagt hatte, ihn zu kritisieren. In diesem Notizbuch findet sich alles: Namen, Orte, Daten; die ganze Vielfalt von Einzelheiten, die ein Menschenleben ausmachen.
    Hier hat er beschrieben, wie er systematisch Benjamin Spinozas erhabene Gedanken über Freiheit und Gleichheit in einfache, leicht verständliche, mit Schlagwörtern gegen die Tyrannei gespickte Texte verwandelt hatte. Die aufrührerischen Ideen hatten im Volk schon gebrodelt, in Form von Gefühlen der Ungerechtigkeit und eines lange unterdrückten Hasses gegen die alte Gesellschaftsordnung. Er gab mit diesen Pamphleten, die er jeden Monat an Robespierre lieferte, den Unterdrückten Freiheitssignale und neue Hoffnung. Der Freund verbreitete sie durch unterirdische Kanäle, um die Zensur zu umgehen und um seine eigene Position im

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