Das Elixier der Unsterblichkeit
befreien, die sein kaiserliches Hirn plagten, nahm Jakob Benjamins Buch,
Das Elixier der Unsterblichkeit
, mit in die Hofburg und las ausgewählte Abschnitte daraus vor. Er ließ Franz Joseph sogar selbst in dem Buch blättern.
Nach kurzer Zeit besserte sich des Kaisers Stimmung, und sein Dasein erschien ihm in hellerem Licht. Er sagte zu Jakob: »Dein Buch hat mir den Glauben an das Leben zurückgegeben. Ich bezweifle, dass es eine größere Weisheit gibt als die, die zwischen diesen Buchdeckeln Platz gefunden hat. Doch solltest du dieses gefährliche Buch verbrennen. Denn die Menschen sind nicht reif für Wahrheiten.«
HEIßE NÄCHTE
Jede Nacht wartete Bernhard zitternd vor Begierde darauf, dass alle im Haus eingeschlafen waren. Ariadnes Körper war für ihn der Mittelpunkt der Welt. Ihr Duft berauschte ihn. Er liebte ihre weichen Brüste, den glatten Bauch, die feuchte Scheide und die vollen Lippen. Vor allem aber ihre kleinen Hände, die verspielt sein Glied zu liebkosen pflegten. Nichts war wichtiger für ihn, als eine Weile mit ihr allein zu sein. Wenn er sicher war, dass alle anderen in Schlaf gefallen waren, schlich er sich auf Zehenspitzen in Ariadnes Zimmer. Bei der Berührung ihrer Haut fühlte er, wie die Welt um ihn herum versank.
In einer Gewitternacht, als Bernhard besonders lange hatte warten müssen, bis alle schliefen, und fieberheiß vor Erregung in das Zimmer seiner Geliebten kam, flüsterte Ariadne: »Ich kann nicht, ich kann nicht. Wie sehr ich es auch wünschte, ich kann dich nicht befriedigen, mein Liebster.«
»Was ist geschehen?«, fragte er ängstlich.
»Ich bin schwanger.«
Sie war fünfzehn, er siebzehn. Wer auf die Idee kam, dass die einzige Rettung aus einer Situation, die mit jedem Tag hoffnungsloser und verfahrener wurde, die Flucht aus Biederhof war, habe ich nie erfahren. Doch eines Nachts verließen sie heimlich das Haus und erreichten Budapest. Hier gelang es ihnen, sich bürgerlich trauen zu lassen, vermählt von einem Säufer von einem Bürgermeister, der die Dinge nicht so genau nahm und keine Papiere von den noch minderjährigen jungen Menschen verlangte.
Ein halbes Jahr später hielt Moricz seinen Einzug in diese Welt.
ABGANG
Es war ein großer Tag in Jakobs Leben. Er wurde fünfzig Jahre alt, und am Nachmittag sollte der Kaiser ihn adeln und zu seinem Finanzminister ernennen. Die Zeremonie fand im linken Flügel der Hofburg statt, der für diesen Anlass nach Umbau und Restaurierung, die fünf Jahre gedauert hatten, wieder geöffnet worden war. Über dreihundert Gäste waren geladen, um die strahlende Pracht des Hauses Habsburg und die Erhebung des Juden Jakob Spinoza zu erleben.
Es begann als heitere Veranstaltung. Franz Joseph war besonders guter Laune. Mit geradem Rücken und seinem dicken Backenbart, seit langem ein unverkennbares Symbol des Kaisertums, verbreitete er untadeligen Glanz über die ehrerbietig gebeugten Häupter seiner Untertanen.
Er ließ einige hochtrabende Phrasen hören, bevor er seinen Freund zum von Spinoza erkor und ihn mit dem Großkreuz des Maria-Theresien-Ordens dekorierte. Es war eine seltene Ehrung. Zu der Zeit gab es nur sechs Personen, die Träger dieses Großkreuzes waren. Sie waren sämtlich Offiziere aus den feinsten Adelsfamilien des Landes. Kein Jude hatte jemals eine solche Auszeichnung erhalten. Auch war kein Jude jemals im Habsburgerreich zum Minister ernannt worden.
Franz Joseph setzte sich auf den Thron. Jakob stand mitten in dem riesigen Saal. Spürbar gerührt vom Ernst der Stunde hielt er mit zitternder Stimme eine kurze Rede, in der er seine tiefe Dankbarkeit für die unfassbare Ehre zum Ausdruck brachte, die ihm zuteilgeworden war. Er bat die Lakaien, die Gläser mit Champagner zu füllen, sodass er einen Toast ausbringen könne, nicht nur auf Seine Majestät, den Kaiser, sondern auch zur Erinnerung an die Frau, die ihm wie eine Mutter gewesen sei und von der er im Leben am meisten gelernt habe, die jedoch leider diesen Moment nicht mehr erleben könne: Chiara Luzzatto.
An der Schmalseite des Saales wurden die Champagnerflaschen geöffnet. Ein paar Korken flogen in die Luft. Einer davon beschrieb einen Bogen über den Köpfen aller Anwesenden und traf die Aufhängung des riesigen Kristallleuchters aus Arnost Grusas berühmter Werkstatt in Böhmen. Der Kronleuchter fiel mit einem Krachen zu Boden. Darunter begraben lag der frisch ernannte Finanzminister. Die große Nase des Toten stach aus dem Kristallgebirge
Weitere Kostenlose Bücher