Das Ende Der Ausreden
sich vom Gefühl des lebenslang Gewohnten abwenden und wirklich ihre Intelligenz befragen. Die wird kein gescheites Argument finden. Und aus dem Kontrast zwischen »gefühlt richtig« und »mit Verstand geprüft und für unsinnig befunden« kann etwas Neues entstehen.
Ausreden schützen Überzeugungen: Wir haben doch nur die besten Absichten...
Für jeden Typus im Enneagramm gibt es ein Set charakteristischer Überzeugungen. Einige haben Sie in den Musterskizzen (siehe Kapitel 14) bereits kennengelernt. Der Leitsatz in jedem der Ego-Systeme ist die jeweils gelernte Formel der bedingten Liebe. Abhängig vom Typ lautet er: »Ich bin nur liebenswert, wenn ich stark, friedfertig etc. bin.« Hinzu kommt ein ganzer Strauß abgeleiteter Glaubenssätze (was klug und was gefährlich, was erlaubt und verboten ist).
So neigen Perfektionisten dazu, zu glauben, dass sie nie gut genug sind, sich immer im Griff haben und um jeden Preis Tadel entgehen müssen. Anné Linden und Murray Spalding, zwei amerikanische Therapeutinnen, bieten in ihrem Buch einen sehr schönen und tiefgründigen Satz als Alternative: »Ich bin vollkommen menschlich, und das ist gut genug.«
Oder: Künstler neigen zu der Überzeugung, nur dann glücklich werden zu können, wenn sie die perfekte Liebe oder Seelenverwandtschaft gefunden haben; und dass immer die anderen bekommen, was ihnen fehlt.
Oder: Loyale halten es für riskant, sich zu exponieren. Peinlichkeit ist tödlich. Man muss immer prüfen, welche Risiken in einer Situation verborgen sein könnten. Völlig klar ist: »Schlimmer geht immer!«
Passend zu den Grundüberzeugungen verwendet jedes Muster auch typische Ausreden. Diese Ausreden sind vor allem Selbstidealisierungen und aus Grundüberzeugungen stammende Begründungsmuster.
Mit den Selbstidealisierungen reden wir uns auf unsere guten Absichten heraus und erklären uns nicht zuständig für Effekte, mit denen unsere Partner aber mitunter erheblich zu kämpfen haben.
So will der Perfektionist doch nur die beste Lösung, und dass das Gegenüber sich kritisiert fühlt – warum eigentlich?
Der Helfer ist hilfreich in der Welt und will nur das Beste für den anderen. Dass der sich manipuliert fühlt? Eine ungerechte Betrachtung!
Der Dynamiker hat nur die schnellste und beste Lösung im Auge, und dass andere sich davon gedrängt und überrannt fühlen – die sollen sich mal nicht so anstellen!
Die Künstler pflegen ihre Idee vom Besonderen und fühlen sich von dem Empfinden der anderen (dass sie entschieden zu gefühlsbetont sind) gründlich missverstanden.
Die Beobachter wollen doch nur die Welt verstehen – das braucht eben seine Zeit! – und bedauern, dass die anderen das für Gleichgültigkeit in Fragen des normalen Lebens halten.
Die Loyalen kommen doch nur ihren Verpflichtungen nach und wundern sich, dass andere sich von ihnen immer wieder getestet fühlen.
Die Genießer bedauern die anderen, die ihnen offenbar neiden, dass sie einfach glücklich sind. Dass sie sich schweren Träumen und Sorgen anderer mutwillig und desinteressiert entziehen, wie das immer einmal empfunden wird, sehen sie nicht.
Die Bosse glauben, dass die Reklamation, sie seien invasiv und dominant, nur aus der Unfähigkeit jener stammt, die sich nicht klar zu positionieren wissen.
Und die Vermittler sind mit ihrer Zufriedenheit und Friedfertigkeit zufrieden (was sonst?) und finden es befremdlich, wenn andere das als Passivität und Standpunktlosigkeit beklagen.
Die Wahrnehmung unserer Partner empfinden wir als ungerecht und willkürlich. Und sie wiederum erleben unsere Begründungen als vorgeschoben.
Unsere Selbstidealisierungen sind Teil unserer Rechthabenspiele. So anstrengend es für unsere Partner auch sein mag, wir fühlen uns im Recht, weil wir doch das Beste wollen – aus unserer Sicht. Wir überdehnen unsere Perspektive ins Allgemeine und fordern Zustimmung oder Entschädigung für Opfer und Anstrengungen, zu denen uns niemand aufgefordert hat.
So fühlen sich die Loyalen zum Beispiel im Recht, weil sie nicht auf ihren Vorteil geachtet haben, sondern auf das, was getan werden musste. Es regt sie sehr auf, wenn andere sich an diese Regeln nicht gebunden fühlen. In diesem Punkt den Perfektionisten und Helfern verwandt, meinen sie sich verdient zu haben, worum sie streiten. Jetzt steht es ihnen endlich einmal zu. Vermittler fühlen sich im Recht, weil sie sich selbst einen so ausgewogenen Blick zuschreiben, die anderen sind immer ein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher