Das Ende Der Ausreden
müssen.
Die Begründung, mit der Dynamiker ihre eigene Entwicklung bremsen, lautet zunächst: Im Wesentlichen ist doch alles gut, so wie es ist. Ich komme doch gut mit mir selbst zurecht und bin erfolgreich. Wozu also nach innen und nach Problemen schauen? Wären Dynamiker tatsächlich so im Frieden und Einklang mit sich, gäbe es allerdings keinen Grund für ihre große und mit Bedacht kaschierte Kränkbarkeit und ihre zwar selten geäußerten, aber leicht zu weckenden Selbstzweifel.
Wenn sie das anerkennen können, ohne es als Schwäche zu fürchten und zu verurteilen, dann öffnet sich die Tür. Wenn es ihnen gelingt, sich ihrer Empfindsamkeit, ihren Gefühlen und Sorgen zu öffnen, statt sie immer weiter dem »Alles kein Problem!« zu opfern, gewinnt ihr Optimismus einen ganz neuen, tieferen Boden.
Das Wesentliche für die Dynamiker ist, erst einmal selbst wahrzunehmen, auf welche Weise sie sich unter Druck setzen und vom Spüren abhalten. Wie oft sie sich und anderen etwas vormachen, damit sie immer gut drauf sind. Wie eine Klientin mir einmal sagte: »Bis Mitte vierzig habe ich nie gemerkt, dass überhaupt und wie viel Fassade ich gebraucht habe.« Erst mit der Anerkenntnis dieser Tatsache habe ihre Entwicklung begonnen.
Typ 4 Die Künstler
Schönheit ist ein wichtiges Motiv ihres Lebens, Sehnsucht ein anderes. Sich nach dem zu sehnen, was fehlt, ist ihr Lebensgefühl und oft die Quelle ihres schöpferischen Tuns – egal, ob sie in einem kreativen Beruf arbeiten oder sich im Privaten mit der Einrichtung der Wohnung, dem fantasievollen Menü, ihrem Tagebuch oder dem superben kleinen Garten befassen. Die Welt wird, wenn überhaupt, durch Schönheit gerettet. Man nennt sie auch die tragischen Romantiker. Sie fürchten nichts mehr als das Gewöhnliche, Normale. Alles muss besonders sein. Ich habe in den letzten zehn Jahren bei einem Freund noch kein einziges Mal das Gleiche gegessen. Im Kern heißt das: »Ich bin nur liebenswert, wenn ich außergewöhnlich bin.«
»Ich bin anders!«: Das Selbstbild und die Inszenierung des tragischen Romantikers kann sehr stolz klingen, und das soll es auch. In dem leicht trotzigen Unterton und dem melancholischen Blick, der fast allen Menschen dieses Musters gemeinsam ist, sieht man die schmerzliche Erinnerung an eine andere Bedeutung: »Ich bin anders – ich gehöre nicht dazu.« Diese Erinnerung muss übertönt werden. Sie haben in ihrer Kindheit wenig Nähe und Verständnis erfahren und daraus den Schluss gezogen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Schutz suchend zogen sie sich in eine Welt von Fantasie und Träumen zurück.
Künstler sind dünnhäutig, in alle Richtungen. Empfindsam, oft sehr mitfühlend, nehmen sie wahr, was passiert. Aber auch ihren eigenen Gefühlen, dem Auf und Ab einer inneren Achterbahn, sind sie scheinbar schutzlos ausgeliefert. Wenn sie sich schlecht fühlen, fühlen sie sich eben schlecht. Menschen, die einen eher robusten Umgang mit ihren Emotionen haben, stehen dieser Haltung oft verständnislos gegenüber. »Wie kann man sich nur so gehen lassen?«, fragen sie und deuten damit auf ihr eigenes inneres Gebot, sich zusammenzureißen.
Künstler haben eine Aversion gegen Regeln. Pünktlich zur Probe kommen, Termine halten, Bankauszüge prüfen, strukturiert diskutieren? Regeln sind bürgerlich, langweilig, zerstören die Kreativität. Große Geste, theatralisches Moment ist eher in ihrem Repertoire als Interesse an praktischen Belangen. Davon zu träumen, ein eigenes exquisites Modeatelier zu haben? In Farbe und Detail! Das zu planen, durchzukalkulieren, einen Businessplan für die Bank zu machen? Na ja.
Sie können Kritik nur schwer vertragen. Dass der Wein korkig ist, kann schon den Abend verderben. Sie berufen sich auf ihre Empfindsamkeit und dass man von guten Freunden wohl Sensibilität erwarten kann. Was hier oft launisch und schwierig wirkt, ist der Versuch, alles abzuwehren, was die Wunde des vermeintlichen Unvollkommenseins wieder zum Bluten bringen könnte.
Dem Partner bieten sie oft ein Spiel von Nähe und Distanz an. Sie trauen der Beziehung nicht und wollen doch endlich gerettet und behütet sein. Sie schützen sich und ihre große Verletzlichkeit, indem sie den anderen immer wieder vor den Kopf stoßen, um dann im nächsten Moment wieder umworben werden zu wollen. Scheint Sicherheit und Nähe endlich möglich zu sein, muss sie zurückgewiesen werden. Und so fort. Die darunter liegende, tiefe Sehnsucht bleibt
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