Das Ende Der Ausreden
diesen Raum. Das wird schon kein Thema für den Verkehrsfunk werden.
Was passiert, wenn Sie ein typisches Verhalten verändern?
Und nun kommt die eigentliche Aufgabe: Beobachten Sie sich dabei, was dieses Neue, andere bei Ihnen auslöst. Ist es eine neutrale oder sogar vergnügliche Angelegenheit, oder stresst es Sie erheblich, finden Sie es grässlich? Was passiert in Ihnen? Welche Einwände kommen hoch, welche Gründe werden laut, warum das eigentlich keine gute Idee ist? Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Ihr Ausredengenerator jetzt hektisch Überstunden macht.
Sie haben die Chance, ganz bewusst zu erleben, wie eine eigentlich völlig harmlose Verhaltensänderung für Sie dadurch Stress auslöst, dass sie innere Ge- oder Verbote berührt.
Beobachten Sie genau, was in Ihnen passiert, wenn Sie nun zum Beispiel für einige Wochen aufhören, sich unterbrechen zu lassen. Es kann sein, dass Ihre Umwelt sich über Sie wundert. Vielleicht äußert jemand sogar, dass Sie neuerdings aber streng, humorlos, was auch immer seien. Genauso gut möglich ist, dass niemand Ihr verändertes Verhalten registriert. Darauf kommt es bei dem Experiment nicht an. Sie machen das ausschließlich für sich selbst. Achten Sie darauf, wie es für Sie ist, wenn Sie etwa sagen: »Entschuldigung, ich möchte gerne meinen Punkt zu Ende bringen.«
Es könnten Ihnen, bevor Sie es tun, Gedanken kommen wie »Das lohnt sich doch gar nicht!« oder »So ein Aufstand, ich komme schon noch dazu, zu sagen, was ich sagen will!« oder »Jetzt bin ich aber unhöflich!« oder »Das ist ja eigentlich nicht meine Art, mich so wichtig zu machen«. Mag sein, dass Sie sich unwohl fühlen. Ihre Stimme könnte ein wenig schwanken, wenn Sie es trotzdem sagen.
Was ist hier eigentlich so schwierig? Das ganze Kino spielt sich nur in Ihnen ab, Ihre Gedanken und Empfindungen haben bestenfalls einen losen Bezug zur eigentlichen Situation. Denn Sie trainieren ja »nur« eine neue Verhaltensweise, sonst nichts. Warum erfasst Sie ein unangenehmes Gefühl, wenn Sie sich das Recht nehmen, Ihren Satz zu Ende zu bringen? Das ist ja nicht verboten, beschränkt auch nicht die Freiheit der anderen, es steht Ihnen ohne Zweifel zu. Wofür meinen Sie, sich rechtfertigen zu müssen?
Oder: Was spielt sich in Ihnen ab, wenn Sie das Auto in Ruhe in die Parklücke bugsieren, während ein bis vier Autos sich hinter Ihnen stauen? Erst einmal: Gratuliere, dass Sie es tun! Viele fahren lieber noch einmal um den Block, um dieser Situation auszuweichen. Und jetzt: Was hören Sie? Vielleicht klopft sogar Ihr Herz. Dafür, dass da Menschen eine halbe oder eine Minute (wenn es hochkommt) Ihretwegen warten müssen – dieser innere Aufruhr? Wieso kämpfen Sie mit einem Fluchtimpuls, statt sich einfach auf den Einschlagwinkel zu konzentrieren? Eine berechtigte und wichtige Frage.
Egal, was Sie gerade üben, das ist ein normaler Effekt. Ob Sie eine Weile nicht »Hier« rufen, wenn Arbeit verteilt wird, sich nicht entschuldigen, wenn Sie Nein sagen, eine Entscheidung treffen, die noch nicht völlig durchdacht ist, Ihre Hilfe nicht aktiv anbieten, es nicht akzeptieren, wenn sich jemand vordrängelt, nachgeben, obwohl Sie den Punkt holen könnten – es ist immer das Gleiche: Es passiert eigentlich rein gar nichts, aber Sie machen sich verrückt. Und zwar ausschließlich durch die Geschichte, die Sie sich gerade selbst erzählen.
Verzichten Sie auf eine lieb gewonnene Fähigkeit
Suchen Sie als Nächstes ein Verhalten aus, das Ihnen leichtfällt und das Sie gut beherrschen, das aber wichtigen Menschen Ihres Lebens auf die Nerven geht. Sollten Sie das nicht wissen, fragen Sie sie.
Und jetzt: Verzichten Sie eine Zeit lang darauf. Ich bin sicher – das wird Sie Überwindung kosten …
Wenn Sie im Enneagramm ein Perfektionist sind, könnten Sie sich nun zum Beispiel einige Wochen auf die Zunge beißen, wenn jemand einen Fehler macht oder etwas Falsches sagt, und es nicht kommentieren. Als Vermittlertyp könnten Sie anderthalb Monate lang üben, wann immer jemand Ihnen ein Problem erzählt, dieses nicht zu relativieren. Als Loyaler könnten Sie Zug fahren, ohne vorher eine Platzreservierung zu kaufen oder auf andere planerische Aktivitäten verzichten. Als Boss könnten Sie für diese Zeit auf dem Beifahrersitz Platz nehmen und dem Fahrer keine Anweisungen oder Kommentare zu seinem Fahrstil geben. Als Beobachter könnten Sie jeden Tag etwas wegwerfen oder verschenken, um so Ihrer Tendenz, alles
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