Das Ende Der Ausreden
Ihnen auf dem Herzen liegt. Es gäbe eine konkrete Möglichkeit, diesen Vorsatz zu realisieren: Ihre Freundin nervt Sie seit einiger Zeit damit, dass sie ständig über das Gleiche jammert, nämlich über eine ältere Kollegin, die sich in alles einmischt und mit ihren hundert Jahren Erfahrung jeden Ansatz einer Innovation in Grund und Boden redet. Sie sind die Klagemauer mit ihr schon zu oft abgelaufen und überlegen sich, wie es der Freundin beizubringen wäre, dass Sie darüber nicht mehr reden möchten.
Und prompt fühlen Sie sich schlecht. Sie finden sich egoistisch, schließlich leidet die Freundin doch unter diesem Drachen. Und es ist ja keine Mühe, ihr zuzuhören … Nein, das stimmt nicht, das ist es sehr wohl. Also von vorn: Wie könnten Sie es ihr sagen? Jede Formulierung kommt Ihnen aggressiv vor. Sie fürchten, dass man Ihnen die Freundschaft kündigt, wenn Sie sich abgrenzen.
Hören Sie weg! Ihr Vorsatz ist vernünftig, und es wird Ihnen guttun, nicht mehr rund um die Uhr als Kummerkasten zur Verfügung zu stehen. Bemerken Sie, wie Ihr Ego Ihnen Ausflüchte, Vorwände und Alibis bereitstellt, bedanken Sie sich und lehnen Sie ab. Nehmen Sie wahr, wie die gelernten Gefühle rumoren und: Halten Sie durch!
Wenn Sie bei einer Verhaltensänderung diesem heftigen Widerstand begegnen, dann hat das Verhalten, das Sie gerade variieren, eine Verbindung zu Ihrer Vorstellung von dem, wer Sie sein sollten. Manchmal ist der Zusammenhang leicht zu sehen, in anderen Fällen ist das nicht so offenkundig. Welche Idee von Ihnen ist berührt, wenn es Ihnen schwerfällt, andere warten oder sich nicht unterbrechen zu lassen? Gegen welches Verbot verstoßen Sie da gerade? Was dürfen Sie eigentlich nicht und tun es jetzt offenbar mit Ihrer kleinen Übungseinheit? Das Experiment gibt Ihnen die Gelegenheit, herauszufinden, aus welchen Gründen Sie sich so verhalten, wie Sie es üblicherweise tun, und welche Bedeutung das innerhalb Ihres Musters hat.
Das Ego suggeriert Ihnen derweil, dass Sie im Begriff sind, etwas gefährlich Unvernünftiges zu tun – bei unklarer Verkehrslage auf Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen oder sich ohne Fallschirm aus dem Flugzeug fallen zu lassen. Nur: Da ist keine Gefahr! Alles Platzpatronen, fingiertes Sperrfeuer. Der Spuk ist beeindruckend bedrohlich, doch der Zugewinn an Handlungsmöglichkeiten wird Sie dafür entschädigen. Wenn Sie sich nicht beirren lassen. Und Ihren hochsprudelnden Ausreden, mit denen Sie sich sonst das Kneifen erlauben würden, bis auf Weiteres kein Gehör schenken. Bleiben Sie dran und überlegen Sie sich ruhig etwas Schönes aus der Abteilung Genießen, womit Sie sich anschließend belohnen.
Um Fortschritte zu erzielen, ist es erforderlich, dass Sie die unangenehmen Gefühle, die sich einstellen, mit tapferer Heiterkeit ertragen. Lassen Sie sich nicht von ihnen überschwemmen, geben Sie Ihnen nicht nach; nehmen Sie sie wahr und tun Sie trotzdem das, was Sie sich vorgenommen haben.
Sie können das Unbehagen beim Ausprobieren und Üben getrost als Zeichen werten, dass Sie auf dem richtigen Weg sind.
Eine Übung, um Ihr Verhaltensrepertoire zu erweitern, möchte ich Ihnen noch ans Herz legen.
• Suchen Sie von den Ausreden, die Sie gerne/oft verwenden (in Kapitel 2 haben Sie sie notiert), jeweils eine aus – und lassen Sie sie für sechs Wochen weg und sagen stattdessen die Wahrheit.
• Hören Sie für die gleiche Zeit auf, eine Ausrede, die Sie bei anderen stört, zu »kaufen«, also das Ausredenspiel mitzuspielen.
• Beobachten Sie, was passiert …
• Über Risiken und Nebenwirkungen sollten Sie – vorher! – nachdenken … Auch das wird erkenntnisreich sein.
Wir haben das ganze Leben Zeit
Die Fragen »Wie komme ich jetzt da heraus? Und wie lange wird das in Anspruch nehmen?« werden mit einer gewissen Dringlichkeit gestellt, sobald man erst einmal anerkennen muss, dass am Steuerrad des eigenen Lebens ziemlich viele alte Gespenster ihre Finger mit im Spiel haben. Die Antwort ist sowohl einfacher als auch unbequemer, als wir es gerne hätten: Wir haben das ganze Leben, das noch vor uns liegt, Zeit, uns am Ruder mehr Platz zu verschaffen. Die Schatten der Vergangenheit dürfen sich nach und nach auflösen. Und das werden sie auch, wenn wir uns immer wieder neu mit unseren Verhaltensgewohnheiten anlegen.
Wann immer Sie also meinen, dass etwas einzig und allein auf Ihre erprobt gute Weise ginge, dann sollten Sie auch einmal eine andere in Betracht
Weitere Kostenlose Bücher