Das Ende Der Ausreden
nicht besprechen wollen, können wir nicht klären
»Sie hat mich damals so verletzt mit dem, was sie gesagt hat!« – »Hast du mit ihr gesprochen?« – »Nein!« (Gefühlte zehn Ausrufezeichen.) »Wieso denn nicht?« – »Das ging nicht!« – »Weshalb denn nicht?« – »Sie hätte das wissen müssen, wie sehr sie mich damit trifft!«
In diesem Ego-System geht es sehr stark um Sicherheit und Orientierung. Vertrauen wird nur vorsichtig und zögernd geschenkt. Wenn man sich schließlich für das Vertrauen entschieden hat, ist das etwas außerordentlich Wichtiges und Kostbares.
Daran ist allerdings die Erwartung geknüpft, dass ein Mensch, dem ich vertraue, mich nicht verletzen würde (so wie ich es auch nicht täte). Wenn es dann doch passiert, muss(!) man sich fragen: »Habe ich mich getäuscht?«, »Ist der andere meines Vertrauens doch nicht wert?«
Und – wenn die Beziehung wertvoll ist – riskiere ich, sie zu verlieren, wenn ich jetzt in Konflikt gehe? Laufe ich Gefahr, vielleicht zurückgewiesen oder verlassen zu werden und eine Bestätigung für eine uralte Befürchtung zu bekommen, die es schon lange vor dieser Freundschaft gab?
Und nun sitzt man in einer unauflösbaren Situation: Ich bräuchte Vertrauen, um das Gefühl beschädigten Vertrauens zu besprechen. Da es aber beschädigt ist, kann ich es nicht besprechen. Und somit kann ich auch nicht herausfinden, ob ich »zu Recht« verletzt bin, kann nicht erfragen, wie der andere das eigentlich gemeint hat. Zugespitzt bedeutet das, dass die Wahl zwischen Freundschaft und innerer Sicherheit (»Ich muss genau wissen, wem ich trauen kann!«) zugunsten der Sicherheit gefallen ist. Ich gehe kein weiteres Risiko mehr ein. Und schlage damit auch gleich die Chance aus.
Der Zweifel, den Menschen dieses Musters oft hegen – ob ein klärendes Gespräch etwas verbessern könnte -, scheint aus dieser Abwägung zu stammen. Lieber das Schlechte für möglich halten, erscheint plötzlich wieder als die sichere Variante. Denkbar, dass sie sich lange und schmerzlich über etwas ärgern, was niemand gewollt, beabsichtigt oder überhaupt »gemacht« hat. Solange sie sich aber der »vertrauten Verstimmung« überlassen, können sie keine neue Erfahrung machen.
Wir sind für unsere Gefühle selbst verantwortlich
In einer Paartherapie hören die Klienten vom Therapeuten einleitend oft folgenden Satz: »Jeder von Ihnen beiden ist für seine eigenen Gefühle verantwortlich.« Die Partner wissen meist nicht so recht, wie sie diese Botschaft finden sollen. Mitunter ist ein leises Jaulen oder forciertes Ausatmen zu hören. »Als erwachsener Mensch«, könnte er weiter ausführen, »kann ich niemand anderen für das verantwortlich machen, was ich empfinde.« Das leugnet nicht, dass ich auf meinen Partner/den anderen reagiere, mich von ihm verletzt fühle oder abgewiesen oder nicht verstanden. Aber er ist dafür nicht zuständig. Ich kann freilich versuchen, ihn zum Schuldigen zu machen, zum Verursacher meines Kummers, aber letztlich ist es meine Sache, ob ich mich durch sein Verhalten bekümmere oder unbekümmert darüber hinweggehe.
Mein Partner wiederum kann sich für meine Gefühle interessieren, herausfinden, wie er mir entgegenkommen kann, entscheiden, mir zuliebe auf etwas zu verzichten oder mich in meiner besonderen Empfindlichkeit zu schonen. Er könnte das tun, was der Psychotherapeut und Autor Jürgen Gündel »den Hamster streicheln« nennt: sehen,wie ich im Hamsterrad der eigenen Geschichte gefangen bin, gerade mal wieder komisch reagiere, und es mir ersparen, mich darauf hinzuweisen. Das kann er, muss aber nicht. Zu oft sollte er es auch nicht tun, um nicht genau das Muster zu stabilisieren, das ihn am Ende so nervt.
Wie auch immer. Ich kann das nicht einklagen, und es steht mir auch nicht zu. Ich kann es mir bestenfalls immer einmal wünschen.
Viele empfinden diese Spielregel als Affront, jedenfalls was die eigenen Gefühle betrifft. Schließlich ist man ja mit der heimlichen Hoffnung hier, dass der Therapeut dem Partner beibringen soll, dass der grobianmäßig oder hysterisch unterwegs sei. Oft erkennt man erst viel später, welche befreiende Kraft in dieser Zuschreibung von Verantwortung liegt. Und zwar für beide. Es heißt ja nicht nur – was hoch unbequem, fast empörend ist! -, dass ich den anderen nicht beschuldigen kann für das, was ich fühle. Es bedeutet ja auf der anderen Seite auch, dass ich mich entlastet fühlen darf, dass ich nicht schuldig
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