Das Ende Der Ausreden
bin, wenn der andere sich über mich ärgert.
Wenn beide das akzeptieren, entsteht ein neuer Raum, in dem sie leichter, freier – weil freiwillig – aufeinander zugehen können. Wenn man sich nicht rechtfertigen muss, kann man dem anderen eher entgegenkommen. Und man findet allmählich heraus, wie man zu dem Konflikt beiträgt: Indem man das Verhalten des anderen interpretiert und dann diese – in der Regel negative – Interpretation als Grund nimmt, sich von ihm verletzt zu fühlen.
Ein Mann tritt, während er den Garten wässert, auf eine Lilie. Sie ruft, es vorherahnend: »Vorsicht, die Lilie!« Er schaut sie vernichtend an, der ganze Blick voller »Ich habe das im Griff, reg’ dich ab!«. Ein Schritt weiter, eine Drehung, und die Lilie geht zu Boden. Sie ächzt kurz: »Die Lilie …«, und er schnauzt: »Das war der Schlauch!«
Nun haben wir: eine zertretene Lilie, eine verletzte Frau und einen zornigen Mann, der ihr übel nimmt, dass ihm die Lilie in den Weg gewachsen und sie unglücklich ist. Beide im vollen Ornat ihrer Lieblingsgefühle, beide im Rechthabenmodus.
Sie denkt: »Warum entschuldigt er sich nicht? Dann könnte ich sagen: Macht nichts, du hast es ja nicht absichtlich gemacht. Ich könnte meinen Großmut zeigen, und alles wäre gut. Aber wenn er angesichts der abgebrochenen Blüte den Coolen markiert, dann könnte ich ihn umbringen.«
Er ist also schuld, dass sie nicht großzügig sein kann?
Er denkt: »Sie müsste wirklich wissen, dass ich alles tue, um ihren Pflänzchen nichts zuleide zu tun. Wer gießt denn hier?? Wenn sie es machen müsste, würde die Hälfte verdursten. Und jetzt regt sie sich über diesen kleinen Flurschaden so auf. Das ist total ungerecht! Sie könnte ruhig mal ein Auge zudrücken und darüber hinweggehen. Dieses Getue!«
Sie ist also schuld, dass er sich ärgern muss?
Sie unterstellt ihm zwar keine böse Absicht, aber in ihrem Muster gehört es sich, wenn man einen Fehler gemacht hat, dass man sich entschuldigt. Das ist doch wohl klar. Wenn er diese Erwartung nicht erfüllt, ist sie verletzt. Das ist in diesem Augenblick wichtiger, als ihm und dem verschmerzbaren Blumenopfer gegenüber großzügig zu sein. Sie leidet lieber an seiner Unfähigkeit, sorry zu sagen, als sich die Frage zu stellen, warum sie so kategorisch an ihrem Anspruch festhalten muss.
In seinem Muster wiederum gibt es ein großes Bedürfnis zu beweisen, dass er nichts falsch gemacht hat, und es daher keinen Grund gibt, ihn abzulehnen. Das ist in diesem Augenblick wichtiger als sein Bedauern über die Lilie und sein Mitgefühl mit ihr. Und der Zorn hilft ihm, sich im Recht zu fühlen.
Die Einsicht, dass jeder seine eigenen Empfindungen selbst verantwortet, ist anstrengend und befreiend. Und sie ist das ganze Gegenteil von Gleichgültigkeit. Es ist genau nicht »Ist mir doch egal, was du empfindest, das ist dein Problem!«. Diese Haltung resultiert vielmehr meist aus dem trotzigen Abwehren einer Schuld, die der eine versucht, beim anderen abzuladen.
Wenn sie sich also ihrem Lieblingsgefühl widersetzen würde und er sich dem seinen, dann gäbe es im Lilienbeet kein Material mehr für einen Konflikt.
Erwartungen sind Erwartungen und keine einklagbaren Ansprüche
Wenn wir das wirklich verstehen und anerkennen würden, gäbe es viel weniger Probleme in Beziehungen. Wir meinen, bei Nichterfüllung unserer – oft nicht einmal geäußerten – Erwartungen berechtigt ärgerlich sein zu dürfen. Aber ich habe kein Anrecht darauf, dass meine Umwelt meine Vorstellungen einer idealen Partnerschaft, meinen Tick fürs Stromsparen oder meine Liebe zum Detail teilt oder auch nur gutheißt. In meinem Skript ergibt das alles Sinn, in den Köpfen und Herzen der anderen muss das noch lange nicht so sein. Ich betrachte zwar sie als den Grund meines Ärgers, aber der bin ich in Wirklichkeit selbst.
Wenn ich die Ordentliche in der Partnerschaft bin und meinen Koffer immer sofort ausräume, die Schuhe ausziehe und gleich mit Spanner in den Schuhschrank stelle, und immer wenn ich irgendwo etwas sehe, das aufzuräumen wäre, es mitnehme und an den richtigen Platz zurückbringe – dann kann ich mich natürlich über meinen Partner aufregen, der all das nicht tut. Warum aber? Haben wir das im Ehevertrag geregelt oder eine andere explizite Vereinbarung über das Aufräumtempo geschlossen? Das wäre etwas anderes. Aber meistens haben wir darüber zwar schon oft geschimpft und gestritten, aber eine Verabredung haben
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