Das Ende der Einsamkeit
keinen Zweifel daran, dass sie beim leisesten Missklang die Treppe heruntergestürmt kommen würde. Sichtlich widerstrebend zog sie sich zurück, wobei sie Alessandro noch einen warnenden Blick zuwarf.
Doch Charlottes Rückzug bedeutete keineswegs, dass Alessandro nun herzlich willkommen geheißen wurde. Im Gegenteil, Megan hatte die ablehnende Haltung und den argwöhnischen Blick ihrer Freundin angenommen.
„Ich muss aus diesen nassen Sachen raus.“
„Du musst mir erklären, warum du hergekommen bist.“
„He, ich dachte, wir hätten uns auf einen Waffenstillstand geeinigt, Megan.“
„Haben wir, was aber nicht bedeutet, dass du kurz vor Mitternacht einfach so hereinschneien kannst. Denn ein Waffenstillstand heißt nicht, dass wir plötzlich dicke Freunde sind, Alessandro.“ Keineswegs hatte sie vergessen, wie er vor nur zwei Tagen einfach durch sie hindurchgeblickt hatte, als würde sie gar nicht existieren.
Anstelle einer Antwort zog Alessandro seinen durchnässten Mantel aus und warf ihn über das Treppengeländer. Sofort nahm Megan ihn wieder weg – mit spitzen Fingern, als könnte sie sich daran womöglich anstecken.
„Warum bist du so nass?“
„Wirf einen Blick aus dem Fenster. Draußen schüttet es. Außerdem …“, räumte er widerstrebend ein, „habe ich noch einen langen Spaziergang gemacht, bevor ich hierhergekommen bin. Wenn ich diese Sachen anlasse, lande ich bestimmt im Krankenhaus. Könntest du das mit deinem Gewissen vereinbaren?“
Geschickt packte er sie bei ihrem schwächsten Punkt. Megan seufzte resigniert. „Also gut, warte im Wohnzimmer, dann hole ich dir … Ach, warte einfach, ich bin gleich wieder da.“
„Brennt im Wohnzimmer ein Feuer?“
„Nein, so viel Luxus kann ich dir leider nicht bieten. Aber du kannst dich vor den Heizkörper stellen.“
Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte Megan die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Was konnte sie Alessandro als Kleidung geben? Nervös überlegte sie einen Moment, bevor sie kurzentschlossen einen Karton unter dem Bett hervorholte, dem sie eine schwarze Jogging-Hose und ein Rugby-Shirt entnahm. Beides sieben Jahre alt, Relikte aus der Vergangenheit, von denen sie sich nicht hatte trennen können.
Im Vorbeigehen holte sie noch ein Handtuch aus dem Wäscheschrank, bevor sie sich beeilte, ins Wohnzimmer zu kommen – wo Alessandro sich inzwischen bis auf die Boxershorts ausgezogen hatte.
„Was … tust du denn da?“ Megan blieb wie angewurzelt auf der Schwelle stehen. Sieben Jahre war es her, seit sie ihn so gesehen hatte, und er hatte sich kaum verändert. Wie gebannt blickte sie ihn bewundernd an, senkte den Blick, schaute erneut verstohlen hin. Er war einfach atemberaubend schön: sonnengebräunt, breite Schultern, ein athletischer Oberkörper, schmale Hüften, lange, kraftvolle Beine.
„Ich ziehe meine nassen Sachen aus.“
Megan löste sich von dem verlockenden Anblick und warf die Kleidungsstücke und das Handtuch in seine Richtung.
„He, ich beiße nicht, Megan.“ Er bückte sich, hob die Jogging-Hose und das Rugby-Shirt auf und betrachtete beides entgeistert. „Ist nicht wahr! Sind das meine Sachen?“ Er sah Megan an, und zum ersten Mal seit zwei Tagen fühlte er sich gut … richtig gut. Unbeschreiblich gut.
Errötend hielt Megan seinem Blick stand. „Die waren noch in meinem Apartment, als wir uns getrennt haben. Ich konnte es nicht ertragen, dir noch einmal gegenüberzutreten, und dachte, du würdest sie sowieso nicht vermissen.“ Sie lachte erstickt, als sie sich erinnerte, wie sie das Gesicht in den Stoff gedrückt hatte in der Hoffnung, noch etwas von Alessandros Duft erhaschen zu können. „Es war wohl sentimental von mir, sie nicht wegzuwerfen.“
„Was hast du sonst noch behalten?“
„Das ist alles. Und jetzt solltest du dich besser anziehen.“ Sie wandte sich ab und lehnte sich gegen den Türrahmen, sodass sie Alessandro das Profil zukehrte. „Ich fühle mich nicht wohl dabei. Ich meine, dass du hier in meinem Haus bist, dich umziehst … Das ist nicht gut. Du hast zwar gesagt, dass Victoria nicht eifersüchtig ist, aber ich mag sie, und es ist ihr gegenüber nicht fair.“
Alessandro antwortete nicht sofort. „So“, sagte er dann, „jetzt kannst du wieder hinsehen. Ich bin angezogen.“
„Warum also bist du hergekommen?“ Megan ärgerte sich, dass sie so nervös war, aber ihr klopfte das Herz bis zum Hals.
Langsam ging Alessandro zum Sofa und setzte sich schwer.
„Kann es sein,
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