Das Ende der Geschichten (German Edition)
endgültig aufgeben, es dort zu versuchen, und dich in Zukunft nur noch auf dem Handy anrufen.»
Ich legte das Buch von Iris Glass beiseite, in dem ich las, seit ich aufgewacht war. Natürlich standen Haushaltstipps darin, unter anderem Anleitungen, wie man den Abfluss mit Natron und Essig reinigte und sich aus Lavendel und Olivenöl seine eigene Möbelpolitur mischte. Aber es enthielt auch Schnitt- und Strickmuster, Noten von Volksliedern zur abendlichen Unterhaltung und Gebete für Seeleute. Und jedes Kapitel endete mit ein paar von «Iris’ Sprichwörtern», wie zum Beispiel: «Nichts verändert sich, obwohl sich alles ständig ändert.» Oder: «Die Hoffnung sprießt so zögernd wie die Blüten einer Topfpflanze.» Ich hatte mir bereits die Seite zu Beginn eines Kapitels markiert, auf der erklärt wurde, wie man Socken strickte und stopfte. In Totnes gab es einen Laden, der Wolle speziell für Socken anbot, und ich nahm mir vor, irgendwann einmal dort vorbeizuschauen und welche zu kaufen. Vielleicht konnte ich mir ja nach Iris’ Anleitung selbst das Sockenstricken beibringen.
«Ist Christopher auch nicht rangegangen?», fragte ich.
«Nein. Es hat einfach immer weitergeklingelt. Meg? Was ist denn los?»
Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich traurig war, doch plötzlich hörte ich mich schluchzen.
«Meg? Alles in Ordnung?»
«Ja, schon», sagte ich. «Doch, es ist alles in Ordnung. Ich habe Christopher verlassen. Ich bin ausgezogen.»
«Dem Himmel sei Dank! Aber wo bist du denn jetzt? Warum bist du nicht hier? Komm nach Hause, wir kümmern uns um dich.»
«Danke, Mum, aber mir geht es wirklich gut hier. Ich habe durch diese Fernsehsache etwas Geld gekriegt. Weißt du noch – die Frau, mit der ich mich letztes Jahr in London getroffen habe? Die mit dem Schwertfisch? Die haben sich tatsächlich entschieden, die Option auf meine Bücher zu kaufen. Plötzlich hatte ich so etwas wie Alternativen, und da bin ich relativ spontan hierhergezogen.»
«Und wo ist ‹hierher›?»
«Nur ein kleines Cottage direkt am Meer. Zur Zwischenmiete, bis ich entschieden habe, was ich weiter tun will.»
«Dann bist du also immer noch in Devon.»
«Ja.» Etwas in ihrem Ton veranlasste mich hinzuzufügen: «Das ist mein Zuhause. Ich habe Freunde hier und Verpflichtungen.»
«Ein anderer Mann?»
«Nein! Großer Gott, Mum! Ich habe mich doch gerade erst von Christopher getrennt.»
«Hast du denn schon konkrete Pläne?»
Ich dachte einen Augenblick nach. «Ich sitze gerade an einem großen Artikel. Aber eigentlich nicht, nein. Das macht aber auch nichts. Ich glaube fast, Pläne werden überbewertet. Vielleicht stricke ich mir ein Paar Socken. Und ich werde wieder mit meinem Roman anfangen, auch wenn ich nicht weiß, wie lang das dauern wird.»
«Dann sitzt du jetzt also ganz allein in diesem … Cottage ?»
«B. ist bei mir. Sie findet es toll hier. Heute Morgen haben wir schon einen langen Strandspaziergang gemacht und uns den Sonnenaufgang angeschaut. Und als ich zurück war, hatte ich dieses irre Gefühl, als hätte ich viel mehr leeren Raum in mir als vorher. Ich habe mir genau das zum Frühstück gemacht, worauf ich Lust hatte, und hinterher habe ich aufgeräumt und abgewaschen, ganz ohne irgendwelchen Ärger. Viel habe ich nicht mitgenommen, aber ich habe ein paar Bücher hier und meine Gitarre und meinen Lieblingsbecher und meinen Marmeladenkochtopf, solche Sachen eben. Und ich weiß, kein Mensch wird sie wegräumen oder sie kaputt machen oder unvermittelt reinkommen und Streit anfangen. Ich dachte, ich bin ewig unglücklich und brauche Monate, um den Absprung richtig zu schaffen, dabei habe ich schon jetzt das Gefühl, nie mehr zurückzuwollen. Ich fühle mich einfach so … heiter und ausgeglichen allein. Es ist so viel unkomplizierter. Du glaubst nicht, was ich alles an Putzmitteln hier im Dorfladen gekauft habe. Sogar Gummihandschuhe.» Natürlich verschwieg ich meiner Mutter, dass ich das alles jetzt, wo ich Iris’ Buch gelesen hatte, nicht mehr verwenden und stattdessen Zitronensaft, Essig, Natron, Lavendel, Öl und heißes Wasser nehmen würde. Ich freute mich, eine Alternative zu all dem anderen Kram gefunden zu haben, der mich doch nur an Werbespots erinnerte – voller Menschen mit perfekten Zähnen, heldischen Mienen und Kindern, die aussahen, als wären sie auf dem Weg zur Hitlerjugend. Selbst auf der Flasche mit dem Putzmittel war noch eine sorgfältig manikürte Frauenhand abgebildet, die
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