Das Ende der Geschichten (German Edition)
Und macht einen echt fertig.» Er lachte wieder. «He, ich mache doch nur Witze. Das ist überhaupt nicht der Grund, warum ich nicht in dem Häuschen schlafen kann. Besser gesagt, ich kann da durchaus schlafen. Also, jetzt natürlich nicht mehr, versteht sich, aber du weißt schon, was ich meine. Ach herrje! Entschuldige, ich sollte keine solchen Späßchen mit dir treiben. Schließlich will ich meine Mieterin nicht gleich wieder verlieren. Ich dachte ja, du willst da nur arbeiten. Aber Gill aus dem Laden sagt, du hättest Hundefutter und Pflanzen und all so was gekauft.»
«Stimmt. Ich habe mich von meinem Freund getrennt.»
«Ach, scheiße, das tut mir aber leid. Jetzt werde ich dich ganz sicher nicht mehr hochnehmen.»
«Nein, nein. Es war schon richtig so. Und es war meine Entscheidung, du kannst mich also hochnehmen, so viel du willst. Ich habe einfach festgestellt, dass es mir alleine viel besser geht. Aber jetzt bin ich tatsächlich mehr oder weniger fest eingezogen, zumindest für die nächste Zeit. Ich hoffe, das geht in Ordnung.»
«Es ist dein Haus. Du kannst da tun und lassen, was du willst – ich mache dir bestimmt keine Probleme. Gill ist ein altes Klatschweib. Sie will immer von allen wissen, wer sie sind, selbst von den Feriengästen.»
«Danke. Eine Zeit lang werde ich schon bleiben. Es sei denn, die schlimmen Träume vertreiben mich. Da müssen wir wohl noch etwas abwarten.»
«Ach du Schande, da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen, was?»
«Na ja, ich hatte gestern tatsächlich einen ziemlich seltsamen Traum. Ich hatte mich schon gefragt, wie du das wissen kannst. Aber das ist bei mir immer so, wenn ich unter Stress stehe und an einem ungewohnten Ort schlafe. Wahrscheinlich kennt das jeder irgendwie.»
«Na, jedenfalls, lass dich mal wieder blicken. Wenn du Lust hast, komm doch später zum Abendessen rüber. Ich werde dir auch kein rohes Schweinefleisch vorsetzen.»
«Danke, wahrscheinlich mache ich das sogar. Vor allem, wenn du mir kein rohes Schweinefleisch vorsetzt.»
«Mary Shelley soll das gegessen haben, um Frankenstein träumen zu können. Wenn ich’s mir recht überlege …» Er errötete leicht. «Das hast du mir sogar mal erzählt, oder?»
«Kann sein. Klingt nach einer Geschichte, die ich mal bei einem Seminar erzählt haben könnte.»
«Hast du auch. Genau. Du hast uns ziemlich viele gute Ratschläge gegeben.»
«Ich bin mir ja nicht sicher, ob es unter ‹gute Ratschläge› fällt, euch zu sagen, ihr sollt rohes Schweinefleisch essen. Aber vielen Dank trotzdem.»
«Gerade habe ich allerdings ein echtes Problem. Ich weiß ja nicht, ob du auch noch nebenbei Extra-Ratschläge gibst …?»
«Was ist es denn für ein Problem?»
«Die Geister. Ich weiß nicht, ob ich tatsächlich an sie glaube oder nicht, verstehst du? Ob sie in mir sind oder von außen kommen. Das ist eine Entscheidung, die ich schon im wahren Leben nicht treffen will, geschweige denn in meinem Buch.»
«Ich denke, das macht nichts weiter. Du kannst es doch einfach offen lassen. Dann können deine Leser selbst entscheiden.»
Hinter uns rauschte sanft das Meer.
«Danke», sagte Andrew. «Weißt du, du hast mich bei dem Workshop ja ziemlich geschockt.»
«Geschockt? Wie das denn?»
«Als du uns dieses Video mit den ganzen Fernsehausschnitten und Werbespots gezeigt und uns erklärt hast, dass die sieben grundlegenden Handlungsträger so ziemlich überall auftauchen. Das hat mich total geschafft.»
Ich hatte das Videoband vergangenes Jahr zusammengestellt und es bei dem Workshop, den Andrew, Lise und Tim besucht hatten, zum ersten Mal verwendet. Zum einen zeigte es die Verschönerungsshows, die sich irgendeine Frau vorknöpften und ihre Frisur, ihr Make-up und ihre Kleidung so lange veränderten, bis sie genauso aussah wie eine Darstellerin aus einer romantischen Komödie, obwohl sie vorher nicht das Geringste mit ihr gemeinsam gehabt hatte, und dabei der Erzählstruktur «Vom Tellerwäscher zum Millionär» folgten, inklusive großer Krise nach der ersten Hälfte. Die Heimverschönerungsshows bedienten sich desselben Erzählmusters, um die Häuser der Leute in Räume zu verwandeln, aus denen alle peinlichen uralten Linoleumfußböden, alle verblassten Fotos und alle gemütlichen alten Hundekörbe verschwunden waren, sodass sie Filmkulissen glichen. In einem der Ausschnitte, die ich zeigte, setzte eine Raumausstatterin einem jungen Mann auseinander, dass er seinen alten Plüschaffen unbedingt
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