Das Ende der Geschichten (German Edition)
aufhielten. Weiter nichts.
B. rappelte sich aus ihrem Korb hoch, streckte sich und kam schwanzwedelnd herüber. Sie umrundete mich zwei Mal und wandte sich einem übrig gebliebenen Stück Hundekuchen in ihrem Fressnapf zu. «B.», sagte ich zu ihr. «Sei so lieb und krümel heute nicht den ganzen Teppich mit Hundekuchen voll. Wir bekommen Besuch.» Je mehr ich sie ermahnte, keinen Dreck zu machen, desto aufgeregter wurde sie, sodass schließlich nicht nur der Teppich, sondern auch B.s Fell voller Hundekuchenkrümel war und ich mich mit ihr auf dem Teppich rollte und sie kitzelte. «Jetzt muss ich dich aber bürsten», verkündete ich. «Und das Bett neu beziehen, nur für alle Fälle. Ich muss das Bad putzen und die Küche. Und ich muss baden und mir die Haare waschen. Das schaffe ich alles nie, und das ist nur deine Schuld. Warum, weiß ich auch nicht, aber so ist es, du verrückter Hund.» B. genoss das alles sichtlich, und als ich schließlich nach oben ging, um ein Bad zu nehmen, lag sie gebürstet und friedlich schlafend auf dem Sofa. Und ich war voller Hundekuchenkrümel.
***
«Tarotkarten?», fragte Rowan, als er ins Wohnzimmer trat.
Tatsächlich, da lagen sie noch auf dem Tisch vor dem Fenster.
«Lange Geschichte», sagte ich und war dabei selbst ganz überrascht von meiner Stimme. Sie klang, als läse ich einen Text im Radio vor, und mein Lachen klang blechern. «Möchtest du ein Glas Wein oder einen Tee oder sonst etwas?»
«Gerne ein Glas Wein.»
Als ich zurückkam, saß er auf dem Sofa und sah sich die Tarotkarten an.
«Für eine Tarotlegerin hätte ich dich nun wirklich nicht gehalten», sagte er.
Ich reichte ihm ein Glas von dem Syrah, den ich eben noch bei Andrew geholt hatte, und setzte mich im Schneidersitz ans andere Ende des Sofas.
«Keine Sorge, bin ich auch nicht. Das war Teil meiner Recherchen. Für den Artikel.»
«Den von Sonntag? Der hat mir gut gefallen – das wollte ich dir ohnehin noch sagen.»
«Danke.»
«Eigentlich ging es darin aber nicht um Tarotkarten, oder?»
«Nein. Eigentlich nicht.»
«Aber der Narr kam vor, stimmt’s?»
«Richtig.»
«Also …?»
Ich seufzte. «Ursprünglich hatte ich den Auftrag, einen Artikel zu schreiben, der Esoterikbücher entlarvt, was ehrlich gesagt gar nicht weiter schwierig ist, wenn man sich mal anschaut, was da so alles auf dem Markt ist. Mein Redakteur hat mir einen Riesensack mit Büchern über alles Mögliche geschickt, von Bestellungen beim Universum bis hin zur Begegnung mit dem eigenen geistigen Führer. Dazwischen waren auch ein paar Bücher, die … Ach, ich weiß gar nicht genau, wie ich sie beschreiben soll. Es waren Sachen, die ich nie freiwillig gelesen hätte, aber so schrecklich waren sie dann auch wieder nicht. Anfangs dachte ich, ich nehme die für meinen Artikel, weil ich mich beim Lesen dann nicht so quälen muss. Aber irgendwie war da nicht viel rauszuholen. Und ich hätte aus persönlicher Perspektive schreiben sollen, was ich dann am Ende auch nicht gemacht habe. Ich hatte vor, mir die Tarotkarten zu legen, um auf der Grundlage dessen, was dabei herauskommt, etwas völlig Abwegiges zu tun und darüber zu schreiben, wie lächerlich albern solche Ratschläge sind. Letztlich fand ich den Rat dann aber ganz brauchbar. Warum erzähle ich dir das eigentlich? Wahrscheinlich hältst du mich jetzt für völlig durchgeknallt.»
Rowan schüttelte den Kopf. «Nein, ich halte dich keineswegs für völlig durchgeknallt. Das ist ein sehr schönes Deck. Ich bin froh, dass sie das wieder aufgelegt haben. Weißt du, wer es gestaltet hat?»
Jetzt schüttelte ich den Kopf. «Nein. Ich habe die Informationskarte zwar gelesen, aber schon wieder vergessen, was draufstand. Irgend so ein Spiritist?»
«Arthur Edward Waite, meinst du? Ja, der hat die Karten in Auftrag gegeben. Aber die eigentliche Arbeit hat eine gewisse Pamela Colman Smith gemacht, die vermutlich Ende des neunzehnten Jahrhunderts in England geboren wurde, dann aber in Jamaika aufgewachsen ist. Sie hat auch Gedichte von Yeats illustriert und die Spinne Anansi für jamaikanische Märchenbücher gezeichnet. Alles, was an diesem Kartendeck neuartig ist, stammt von ihr. Es war ihre Idee, alle Karten zu illustrieren, nicht nur die Trumpfkarten. Sie starb mittellos und einsam, ohne Familie, nur mit einer Freundin als Gesellschaft.» Er lachte. «Ach herrje, entschuldige. Manchmal komme ich mir vor wie ein wandelndes Lexikon. Lise beklagt sich schon immer
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