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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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muss man ständig darin herumstochern, sie im Auge behalten, die Holzscheite so weit verschieben, dass das Feuer immer genug Sauerstoff bekommt, aber bloß nicht so weit, dass alles in sich zusammenbricht und erstickt. Aber wenn es dann einmal brennt, hat man das Gefühl, es wird nie mehr ausgehen. Entschuldige, ich schwafele. Aber seit ich hier wohne, sind meine Kaminfeuer ein großes Thema für mich. Wahrscheinlich ist der Reiz des Neuen bald wieder weg. Wie geht es dir?»
    «Ich höre dir gerne zu. Und mir geht es gut.»
    Ich setzte mich wieder auf das Sofa. Jetzt saßen wir nicht mehr an den beiden Enden, sondern nebeneinander in der Mitte, und B. hockte wie eine einzelne Bücherstütze am Rand. Und weil wir uns ja bereits berührt hatten, war es jetzt gar nicht mehr so seltsam, dass Rowan meine Hand nahm und sie festhielt.
    «Ist das in Ordnung?», fragte er.
    «Ja. Sicher.»
    So blieben wir ein, zwei Minuten sitzen.
    «Eigentlich war ich wegen deines Flaschenschiffs gekommen, oder?»
    «Stimmt.» Ich zog meine Hand weg. «Ich hole es.»
    Es stand auf dem Sims im Schlafzimmer, und so ging ich nach oben, trug das Flaschenschiff nach unten und reichte es Rowan.
    «Hier», sagte ich. «Ich erwarte gar nicht, dass du viel damit anfangen kannst. Aber ich wäre irgendwie beruhigt, wenn du mir eine völlig rationale Erklärung dafür geben könntest, dass es mir einfach so vor die Füße geschwemmt wurde – vor allem, nachdem ich das Universum kurz vorher um ein Zeichen gebeten hatte. Das war übrigens Vis Idee.»
    Rowan hörte mir anscheinend gar nicht mehr zu. Er war so in das Flaschenschiff vertieft, als wären es die letzten paar Seiten eines spannenden Krimis.
    «Ich bin sehr froh, dass du mich gebeten hast, herzukommen und mir das anzusehen», sagte er, ohne den Blick davon zu wenden.
    «Wieso denn?»
    «Weil es hochinteressant ist.»
    «Wie meinst du das?»
    Er hob den Kopf. «Erzähl du mir erst mal deine Geschichte. Wo hast du es gefunden? Und warum hast du das Universum um ein Zeichen gebeten?»
    «Oh. Ich dachte, das hättest du nicht mitgekriegt. Also, es klingt alles ein bisschen unwahrscheinlich. Glaube ich zumindest.»
    «Das halte ich schon aus.» Rowan schenkte Wein nach. «Viel mehr sollte ich nicht trinken. Ich muss ja noch fahren.»
    «Du kannst jederzeit hier vor dem Kamin auf dem Sofa schlafen», bot ich ihm an.
    «Danke, aber … Na, wie auch immer. Erzähl mir, wo du es herhast.»
    Eigentlich hatte ich ihm sagen wollen, ich sei einfach am Strand spazieren gegangen und hätte es plötzlich gefunden. Doch nun erzählte ich ihm von Ruprecht und seinem Flaschenschiff im Wald, von Vi und meinem Streit mit ihr und davon, wie deprimiert ich an Neujahr gewesen war, weil es anscheinend nichts mehr gab, wofür es sich noch zu leben lohnte.
    «Und dann hast du das Universum um Hilfe gebeten, und es hat dir das geschickt?»
    «Ja. Strenggenommen habe ich das Meer um Hilfe gebeten, aber das läuft ja aufs Gleiche hinaus. Komische Art von Hilfe jedenfalls, wo immer sie auch herkam. Ich meine, die vernünftige Erklärung ist natürlich, dass nach dieser Bitte alles, was mir als Nächstes begegnete, irgendeine Bedeutung bekommen musste. Aber dieses Schiff?»
    Rowan drehte die Flasche in den Händen. «Ja. Das ist schon was.»
    «Ehrlich?»
    «O ja. Allerdings ist die Sache ein bisschen verdreht. Du glaubst, Ruprechts Schiff wäre das Original und dieses eine Art Kopie davon, die das Universum dir geschickt hat, um dir einen Schrecken einzujagen. Es ist aber genau umgekehrt. Das hier gehört ins Museum. Es ist berühmt.» Er lächelte. «Die Geschichte dürfte dir gefallen. Bekannt war das Schiff ohnehin schon, aber richtig berühmt wurde es erst Anfang der Siebziger, durch eine Buchreihe mit dem Titel XY zum Selbermachen . Man konnte seine eigene Mona Lisa malen, seine eigenen römischen Münzen prägen und so weiter. Und man konnte sich, nach dieser Vorlage hier, sein eigenes Flaschenschiff bauen. Eine Zeit lang hatte so ziemlich jeder Haushalt einen selbstgemachten Nachbau davon auf dem Kaminsims stehen, gleich unter dem Bild mit dem Entenschwarm. Inzwischen sieht man die nicht mehr so oft.»
    «Dann ist es also nicht so, dass jemand dieses Ding an einem Wochenende nach der Bauanleitung aus einem Buch zusammengeschustert und anschließend ins Meer geworfen hat?»
    «Nein. Das hier ist das Original. Sieh dir nur an, wie alt der Korken ist und wie präzise die Segel gesetzt sind. Auch das Glas ist auffallend

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