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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hillenkamp
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Entwicklung zu opfern. Die Menschen wollen sich selbst entwickeln, Erfolg haben, um eine bessere Auswahl möglicher Partner zu [234] haben, aber sie suchen auch umgekehrt nach einer Liebe, die ihre Entwicklungs- und Erfolgschancen erhöht.
    Liebe und Selbstentwicklung sind beide nur noch Mittel zum Zweck, Mittel zur Bewegung an sich. Wie sie permanent von Gleichem umgeben sein müssen, um sie selbst zu sein (der Künstler von der Kunst, der Weltstadtmensch von der Weltstadt, der Naturmensch von der Natur), so müssen die freien Menschen permanent werden , um zu sein . Sie werden ausgelöscht von jedem Stillstand, jeder Wiederholung.
    Wie der Vampir sich auflöst, wenn das Licht ihn berüht, lösen die freien Menschen sich auf, wenn sie fest- und aufgehalten werden. Wie der Vampir die Nacht, brauchen sie die Bewegung. Um Bewegung zu sein, müssen sie von Bewegung umgeben sein. Wenn ihr Partner stillsteht, zerfallen sie augenblicklich, so will es den freien Menschen scheinen, zu Staub. Sie sagen: »Im vergangenen Jahr habe ich mich überhaupt nicht bewegt. Es hat mich also nicht gegeben.« Sie sagen: »Wenn ich mit meinem stillstehenden Partner zusammen bin, bewege ich mich nicht. Ich zerfalle zu Staub. Er sollte mein Beweger sein; sein Stillstand löscht mich aus.«
    Zu allem Überfluss wollen die freien Menschen sich in zwei entgegengesetzte Richtungen bewegen und entwickeln. Sie wollen sich, einerseits, beruflich und gesellschaftlich selbst überschreiten, wollen kreativer, erfolgreicher werden, Anschluss finden an die richtigen Kreise. Andererseits wollen sie sich therapeutisch und spirituell überschreiten, wollen endlich ruhig und zufrieden werden, sich, wie man sagt, selbst akzeptieren .
    Einerseits geht es ihnen um Leistung, andererseits um Heilung. Die Menschen arbeiten gleichermaßen an ihrem [235] Erfolg wie an ihrer Seelenruhe – wobei die Arbeit am Erfolg die Seelenarbeit in einem fort untergräbt. Für die Menschen ist Selbstakzeptanz ein Ziel, ein Ehrgeiz, wie die Selbstüberschreitung. Sie wollen nicht nur beruflich Karriere machen, sondern auch seelisch.
    Demgemäß soll ihr Partner ihnen sowohl die berufliche Selbstüberschreitung ermöglichen als auch die seelische. Er soll für sie eine gesellschaftliche Herausforderung sein und gleichermaßen eine therapeutisch-spirituelle. Er soll Mönch und Manager sein, Hafen und Herausforderung, Künstler und Bürger in einem. Er soll doppelt anders sein, den Menschen voraus, ein Öffner aller Türen – aller Gesellschafts- und aller Seelentüren.
    Tatsächlich aber schlägt der Partner, der Gesellschaftstüren öffnet, immerzu alle Seelentüren zu; wie der Partner, der Seelentüren öffnet, immerzu alle Gesellschaftstüren zuschlägt. Der Eine ist ein Arbeitsmensch, Arbeitsfanatiker, also für die Menschen eine therapeutisch-spirituelle Katastrophe; der Andere ist ein Seelenmensch, Seelenfanatiker, also eine gesellschaftlich-berufliche Katastrophe.
    So jedenfalls will es den freien Menschen scheinen. Der Eine erscheint ihnen als eine permanente Herausforderung, der Andere als Hafen, vielmehr: als eine Herausforderung, sich endlich in einen Hafen führen, in einem Hafen verankern zu lassen – wogegen die Menschen naturgemäß immerzu protestieren, weil sie den Stillstand fürchten.
    Der Gesuchte, die Hydra, ist also beides: unendlicher Beweger und Beruhiger. Mit einem Wort: ein Coach . Ein Coach soll Karriereplaner und Therapeut in einer Person sein, er verspricht beides: mehr Leistung und weniger Stress, Arbeitserfolg und Seelenfrieden. Er behauptet, die Menschen könnten sich gleichzeitig in entgegengesetzten Richtungen selbst [236] überschreiten. Er ist ein Händler der Unendlichkeit. Was ein Coach verspricht, verlangen die freien Menschen also auch von ihrem Partner. Er soll ihr Coach sein.
    Tatsächlich aber ist jeder Partner eine Enttäuschung, entweder gesellschaftlich-beruflich oder therapeutisch-spirituell. Die Menschen sagen: »Dieser da tut mir gut. Aber er inspiriert mich nicht.« Oder: »Dieser da ist zwar eine permanente Inspiration, ein ständiger Antrieb. Doch er macht mich kaputt.«
    So ist auch die absolute Gleichheit des Partners, die die Menschen ersehnen, zugleich die größte Bedrohung. Denn der Mensch, der ihnen vollkommen gleicht – nicht nur ihrer Idee von sich selbst, sondern auch ihrer Wirklichkeit –, kann ihnen nur eine begrenzte Entwicklung ermöglichen, ja, schlimmstenfalls nur eine Entwicklung hin zur Akzeptanz ihres

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