Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
»wieder etwas zu tun finden würde«. Sie könnte den Lebensmittelhändler wieder bezahlen, den Kindern ihr Taschengeld geben und die Heizung wieder aufdrehen. Mit dem zeitlosen Vertrag zwischen Mann und Frau und dem blinden Vertrauen in die positive Autorität des Patriarchen wäre auch der Friede wiederhergestellt. Gab es eine Alternative? Ob denn nicht vielleicht Mrs Johnson stattdessen einen Job finden könne?, fragte die Interviewerin. Nein, antworteten beide Ehepartner. Das wäre »schrecklich«.
Kaum ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung von Komarovskys Buch begann der einfache Vertrag sich aufzulösen. Was zuvor seit den Höhlenmenschen als das besondere Schicksal des Mannes akzeptiert worden war, nämlich dass er seine Familie ernährte, wirkte plötzlich wie eine Wahl, die er treffen konnte, und eine Wahl, bei der sich viele Männer gegen die alte Rolle entschieden. Rückblickend gesehen wurde diese Entwicklung nicht so sehr durch die Gender-Revolution der 1960er, sondern schon durch die 1950er Jahre verursacht, in denen die Vorstellung vom Ernährer als einzige Norm für die Mittelklasse so brutal durchgesetzt wurde, dass sie sich mehr und mehr wie eine Schlinge anfühlte. Die Autoritäten beriefen sich auf Wissenschaft und Psychologie, wenn sie ihre Norm setzten: Männer, die die Rolle als Ernährer nicht akzeptierten, waren »abartig«, »unnatürlich« und »unreif«, wie es Barbara Ehrenreich 1987 in ihrem Buch Die Herzen der Männer skizzierte. Psychologen entwarfen klare Entwicklungsschritte, wie es Jean Piaget für Säuglinge getan hatte: Ein Mann musste sich eine Gefährtin suchen, einen Beruf finden und einen geeigneten Haushalt gründen. Männer, die diese Schritte nicht rechtzeitig (das heißt vor dreiundzwanzig) machten, litten unter Krankheiten wie »psychischer Unreife« oder »strebten nach ›ewiger Jugend‹«. Zustände, die Ben Stone sehr vertraut wären. Bei diesen unverantwortlichen Männern, schreibt Ehrenreich, verschwammen sogar die Grenzen »zu der schattenhaften Figur des Homosexuellen«, und das so sehr, dass der Psychiater Lionel Ovesey die neue Kategorie des »Pseudohomosexuellen« einführte. Er meinte damit einen Mann, der nicht schwul war, aber trotzdem den Maßstäben für Männlichkeit nicht gerecht wurde.
Peter Tarnopol, Philip Roths Alter-Ego in Mein Leben als Mann ,fasst das vorherrschende Ethos der 1950er Jahre perfekt zusammen:
Kein Wunder also, dass ein junger studierter Bourgeois meiner Generation, der für sich selbst den Gedanken an eine Ehe verwarf und sich lieber von Konserven oder Cafeteria-Essen ernährte, sein Zimmer selbst fegte, sein Bett selber machte, lieber ohne gesetzliche Verpflichtungen kommen und gehen wollte und weibliche Gesellschaft und sexuelle Abenteuer suchte, wo und wann er konnte, und nur für die Zeit, die ihm passte, dass ein solcher Mann sich dem Vorwurf der Unreife, wenn nicht gar latenter oder offensichtlicher »Homosexualität« aussetzte. Oder er war einfach »egoistisch«. Oder er »scheute die Verantwortung«. Oder er war unfähig, sich auf »die Verpflichtungen« (hübsches institutionelles Schlagwort) »… einer dauerhaften Bindung einzulassen.«
Wie man aus Tarnopols Bitterkeit schließen kann, hatte das Establishment die Schraube zu fest angezogen. Fast gleichzeitig waren die ersten Erschütterungen der männlichen Revolte zu spüren. Die Bestseller Mitte der 1950er Jahre, Herr und Opfer der Organisation von William Whyte und Die einsame Masse von David Riesman, warnten die Männer, dass sie zu Marionetten großer Konzerne geworden seien, mechanische Versionen richtiger Männer. Insbesondere Riesman beklagte die Schaffung des saft- und kraftlosen, außengeleiteten neuen Mannes der amerikanischen Arbeitswelt, der gezwungen war, konkrete Fähigkeiten zu unterdrücken, um ständig auf die Signale anderer lauschen und sensibel auf seine Kollegen reagieren zu können. (Und wie weitsichtig er war! Diese Eigenschaften gelten heute als »soziale Kompetenz« und sind in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts sehr geschätzt.)
Wie genau man dieser Falle entrinnen konnte, war überhaupt nicht klar. In Richard Yates’ Roman Zeiten des Aufruhrs findet April Wheeler die perfekte Methode, um sich aus ihrem schrecklichen Vorstadtgefängnis zu befreien: Ihr Mann kündigt seinen Arbeitsplatz bei Knox Business Machines, den »denkbar ödesten Job«, und sie ziehen nach Paris. Dort wird sie als Sekretärin bei irgendeiner Behörde arbeiten,
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