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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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durch den engen Flur, wobei ich Leela mitzog. Hinter uns kam Wolf wieder auf die Beine. »Wir müssen sofort zu meinem Vater«, rief Leela atemlos. Ein Schuss krachte und schlug in der Wand dicht neben uns ein. Putz regnete auf uns nieder. Ein weiterer Schuss knallte los. In dem engen Gang musste uns eine von Wolfs Kugeln bald erwischen.
    »Der Kanal!«, rief ich Leela zu. Sie verstand sofort, öffnete ein Fenster, griff nach meiner Hand, und ohne zu zögern, sprangen wir in die stinkende Brühe. Ich versank, wühlte mich aber sogleich an die Oberfläche. Leelas Kleid war über ihr zusammengeschlagen wie eine Blume, die sich geschlossen hatte. Ihre Arme ruderten hilflos umher, und für einen kurzen Moment wollte ich wegschwimmen und sie ihrem Schicksal überlassen. Ich hatte schließlich genug Probleme.
    Langsam ging sie unter, doch ich brachte es nicht über mich, sie ertrinken zu lassen, und so griff ich nach ihren Haaren, die wie Seetang im Wasser schwebten, und zog sie an die Oberfläche. Hustend kam sie hoch und spuckte mir einen Schwall Wasser ins Gesicht.
    »Ist das widerlich«, jammerte sie und klammerte sich an mir fest. Glücklicherweise hatte uns die Strömung weitergetrieben, so dass Wolf uns in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Er feuerte blind ein paar Kugeln ab, die aber weit genug von uns einschlugen und versanken. Ich hatte Leela meine Arme unter die Achseln geschoben und stieß mich wie ein Frosch mit den Füßen ab. Lange würde ich sie nicht über Wasser halten können, ich war kein geübter Schwimmer. Leela bemühte sich mitzurudern, aber durch ihre Versuche schwammen wir im Kreis, so dass sie es schließlich sein ließ. Wir versuchten uns so gut es ging über Wasser zu halten. Als wir unter der Schlossbrücke durchtrieben, versuchte ich eine Eisenleiter anzusteuern, was mir erst nach mehreren Anläufen gelang. Ich klammerte mich mit einem Arm an die glitschigen Sprossen, mit dem anderen hielt ich Leela fest. Zentimeter für Zentimeter zogen wir uns die Leiter hoch.
    Triefend standen wir auf dem schmalen Sims und wischten uns das Wasser aus den Augen. Eine trübe Laterne, die als Positionslampe für Schiffe diente, spendete uns Licht. Ich sah Leela an: Die Haare um den Kopf geklatscht, die Augen in dem schmalen Gesicht riesengroß, das Kleid nass und zerdrückt, sah sie aus wie ein Märchenwesen. Sie schniefte. Ich schämte mich, dass ich sie fast hätte ertrinken lassen.
    »Es tut mir leid, dass du da mit reingezogen wirst«, sagte ich. »Außerdem …«, ich zögerte. »Ich hätte dir nie etwas getan.«
    »Ich weiß. Also mir tut es nicht leid«, sagte sie und hielt sich mit einem Finger ein Nasenloch zu, um sich durch das andere lautstark zu schnäuzen. Wir lächelten uns an. Leela strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht und wollte gerade etwas sagen, da hörte ich ein Geräusch. Rasch zog ich sie hinter einen kleinen Vorsprung. Gerade noch rechtzeitig, denn ein Patrouillenboot glitt lautlos aus dem Dunkel in das funzelige Licht der Brücke. Ein Suchscheinwerfer geisterte über die feuchten Wände.
    »Wir können sie doch um Hilfe bitten«, flüsterte Leela. Ich hielt ihr den Mund zu, doch die Soldaten schienen etwas gehört zu haben, denn der Scheinwerfer strich ein paar Sekunden über unser Versteck. Erst als das Boot weiterfuhr, ließ ich Leela wieder los.
    »Sie hätten uns helfen können«, sagte sie wütend.
    »Das waren Catos Männer. Wer weiß, ob sie Amandus nicht schon …« Ich brach ab.
    Leela sah mich erschrocken an. »Wir müssen zu meinem Vater.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Da wird es ebenfalls von Catos Leuten wimmeln. Wir müssen zu Sönn und ihm alles erzählen. Er ist der Einzige, der jetzt noch etwas tun kann.«
    »Bist du sicher, dass er nicht dazugehört?«, wandte Leela ein.
    Ich sah sie überrascht an. »Sönn? Niemals! Er hat mich großgezogen. Ich vertraue ihm.«
    »Gut, dann lass uns gehen«, sagte sie entschlossen und raffte ihr Kleid zusammen.
    »Du musst dieses auffällige Ding ausziehen«, sagte ich. »Außerdem kannst du damit nicht rennen.«
    »Kein Problem, hilf mir mal«, sagte Leela und drehte sich mit dem Rücken zu mir.
    Ich wusste nicht, was sie von mir erwartete.
    »Du musst den Reißverschluss aufmachen«, sagte sie ungeduldig.
    Nach mehreren Anläufen hatte ich ihn zwischen den Stofffalten gefunden. Unter dem Kleid trug sie ein dünnes blaues Trikot.
    »Ich kenne einen Schleichweg«, sagte Leela und winkte mir, ihr zu folgen. Wir tauchten in

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