Das Ende der Welt (German Edition)
das Gewirr kleiner Gassen ein, um schließlich gegenüber der Kaserne wieder aufzutauchen, wo wir uns hinter einem Autowrack versteckten und den Eingang beobachteten. Schwerbewaffnete Einheiten jagten aus dem Tor, Melder liefen hin und her, die ganze Straße war hell erleuchtet. In der Nähe quäkte ein Lautsprecher und beschuldigte mich, von Burger geschickt worden zu sein, um Amandus und die gesamte Elite Berlins umzubringen. Nachdem das fehlgeschlagen sei, habe ich Leela als Geisel genommen.
Wir sahen uns an. »Dein Cato ist ziemlich schnell«, bemerkte Leela.
»Er ist nicht mein Cato«, gab ich zurück. »Überleg dir lieber, wie wir ungesehen in die Kaserne kommen.«
»Woher soll ich das wissen, ich war noch nie drin.«
»Du weißt doch sonst alles«, sagte ich.
Leela sah mich nur spöttisch an. »Du bist der Elitesoldat. Hast du nicht fliegen gelernt, bei deiner Ausbildung?«
Gerade als ich etwas Bissiges erwidern wollte, preschte ein LKW in den Kasernenhof, streifte dabei die Schranke, die nicht schnell genug oben war, und schlitterte mit quietschenden Reifen über das Pflaster, bevor er zum Stehen kam. Für einen Moment passierte gar nichts, der LKW tackerte im Leerlauf, bis sich die Beifahrertür öffnete und Cato auf das Pflaster sprang, wo er sich wie eine fette Ratte streckte.
Ich war ziemlich überrascht, dass er es wagte, in der Kaserne aufzutauchen. Sönn würde ihm seine Geschichte, dass ich ein Terrorist wäre, doch niemals abnehmen.
Plötzlich starrte er in unsere Richtung. Wir duckten uns hastig. In diesem Moment wünschte ich mir ein Präzisionsgewehr. Da drehte er sich weg, um mit jemandem zu reden, der an seine Seite getreten war. Es war Sönn!
»Das war’s jetzt«, sagte ich zu Leela. »Sönn wird er nicht täuschen.«
Doch dann passierte etwas, mit dem ich nie gerechnet hätte. Sönn und Cato klopften sich gegenseitig auf die Schultern und lachten. Das konnte nur eins bedeuten: Sönn war eingeweiht. In diesem Moment erstarb etwas in mir.
Leela sah mich fragend an.
Ich machte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus.
»Diese miesen Hunde«, flüsterte sie.
Ich spürte eine unendliche Leere um mich herum, ganz so, als befände ich mich allein in einer Eiswüste, die keinen Anfang und kein Ende hatte.
Wäre Leela in diesem Augenblick nicht bei mir gewesen, hätte ich mich gestellt und gehofft, dass Sönn die Geschichte doch noch irgendwie aufklärte. Leela nahm meine Hand und zog mich weg. Ich taumelte wie ein willenloses Kind hinter ihr her.
17
»Wir werden die Nacht über hierbleiben«, kündigte Leela an und bugsierte mich auf einen Stapel alter Zeitungen, die sie zu einer Matratze ausgebreitet hatte. Ich ließ alles mit mir geschehen. Eine Kerze warf flackerndes Licht an verschimmelte Wände.
»Wo sind wir?«, fragte ich.
Sie setzte sich neben mich und sagte: »Nicht weit vom Parlament.«
Ich war wütend auf Sönn, er hatte mich opfern wollen, gleichzeitig hatte ich keine Hoffnung, ihm zu entkommen. Sönn war ein Jäger.
»Hier sind wir sicher«, beruhigte mich Leela. »Wir sind in einem leerstehenden Haus, das durch Gänge mit den Nachbarhäusern verbunden ist. Man kann in alle Richtungen fliehen, wenn es sein muss. Ich bin Reger früher oft abgehauen und habe dieses Haus entdeckt. Reger!«, schluchzte sie plötzlich. »Das hat er nicht verdient.« Sie wischte sich den Rotz von der Nase.
»Hier kommen höchstens mal ein paar Drogensüchtige her«, sprach sie weiter, als ob ihr Ausbruch nie stattgefunden hätte. »Aber die sind froh, wenn man sie in Ruhe lässt.«
Mir war eiskalt, und meine Zähne klapperten. Leela sah mich besorgt an. »Du scheinst Fieber zu haben«, sagte sie, aber ich schüttelte stumm den Kopf.
Nach einer Weile fielen mir die Augen zu. Ich sah Sönn und Cato, die vor meinem Lager standen und mich stumm musterten. Dann kam jemand rein, der den Körper eines Menschen, aber den Kopf eines Schweins hatte. Das Monster versuchte mir den Kopf abzubeißen. Ich wachte von meinen eigenen Schreien auf und sah Leela vor mir, die meine Stirn fühlte. Ich schlug ihre Hand weg und versank in einen tiefen Schlaf.
Als die Dämmerung durch die Ritzen der zugenagelten Fenster rieselte, wachte ich auf.
Neben mir schnarchte Leela leise. Sie lag, Arme und Beine von sich gestreckt, auf dem rissigen Betonboden, den Kopf gegen die Wand gelehnt, was ziemlich unbequem aussah. Sie erinnerte mich an eine weggeworfene Puppe. Ich betrachtete sie. Ihr Gesicht war schmutzig,
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