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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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Zerfall, die Gewalt«, fuhr sie fort.
    »Schön«, sagte ich nur und überlegte, was sie mit Zuständen meinte, ließ mir aber nichts anmerken und nickte wissend.
    »Er will eine bessere Welt«, sagte Leela.
    »Ist er ein Terrorist?«, fragte ich.
    Leela verzog den Mund, als hätte sie auf etwas Bitteres gebissen. »Natürlich nicht. Ist jeder, der eine gerechte Welt will, automatisch ein Terrorist?«
    »Hmh«, machte ich. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Schließlich forderte der Befreiungsausschuss auch eine bessere Welt und jagte zur Bekräftigung Menschen in die Luft.
    »Gibt es bei euch auch Dichter?«, unterbrach Leela meine Gedanken. Ich nickte.
    »Das hätte ich nicht gedacht«, sagte sie, um gleich darauf in ihrem gewohnt boshaften Ton zu sagen: »Ich kann mir vorstellen, über was die schreiben.«
    »Pfff!«, machte ich.
    »Sag doch mal eins auf«, verlangte sie.
    Ich gab vor, keins zu kennen, aber sie nervte mich so lange, bis ich ihr eins vortrug.
    »Es heißt ›In der Schlacht‹:
    In der Schlacht
    dampfendes Blut,
    neben mir
    ein Toter,
    der ruht.«
    »Ach, der Tote schläft?«, fragte sie scherzhaft, sagte aber gleich darauf: »Das ist gar kein schlechtes Gedicht. Ich hatte gedacht, es geht um behaarte Männerhände, Biertrinken und Pistolen.«
    »Dann kann ich ja noch eins aufsagen.«
    Sie sah mich erwartungsvoll an. Ich räusperte mich.
    »Behaarte Männerhände
    heben die vollen Humpen,
    ihre Pistolen im Blick .«
    Für einen Moment war Stille, dann sagte Leela:
    »Das hast du dir ausgedacht, oder?«
    »Aber es ist gut«, sagte ich.
    Wenn Leela aus vollem Halse lachte, schoss mir ein goldener Splitter ins Herz. Sie hatte ein dreckiges Lachen, wie ein alter Soldat. So hatte ich noch nie ein Mädchen lachen hören.
    »Du bist begabt«, neckte sie mich. »Du solltest Bücher schreiben.«
    »Ja, ja«, nuschelte ich und sah in den Himmel. »Dieser Scheißregen.«
    Wir waren komplett durchnässt, watschelten aber unbeirrt wie zwei müde Wachteln durch die Landschaft.
    An einer Wegkreuzung machten wir Rast. Während Leela ihre Froscheier verdrückte, kaute ich abwechselnd auf meinem Schleimpilz herum und biss von einem Muschnik ab, der nach Apfel schmecken sollte, aber eher an einen verwesten Biber erinnerte.
    Wir überlegten, wohin wir gehen könnten. Zu nahe an Berlin durften wir nicht bleiben. Die Gefahr, in eine Streife zu laufen, war einfach zu groß.
    »Ich hab’s«, rief ich und sprang auf. Leela sah mich neugierig an.
    »Ein paar Tagesmärsche nach Westen gibt es eine Siedlung. Einer der Zefs dort schuldet mir was. Wenn wir ohne größere Pausen durchmarschieren, können wir es in drei Tagen schaffen. Außerdem haben sie da Radios, mit denen sie Regierungsverlautbarungen empfangen. Wir wüssten, was in Berlin passiert.«
    Leelas Augen leuchteten abenteuerlustig. Der Vorschlag gefiel ihr. »Also los!«, sagte sie und griff unsere Tasche.
    Wir marschierten parallel zur Autobahn. Hin und wieder versteckten wir uns vor vorbeirasenden Militärfahrzeugen in den Büschen. Um die Kontrollposten schlugen wir einen Bogen.
    Unterwegs erzählte mir Leela, wie schwer es für sie sei, die Tochter des Kanzlers zu sein. »Immer stehe ich unter Bewachung. Ich kann nie allein aus dem Haus gehen.«
    Dann kam sie auf Donard zu sprechen: »Ich hasse diesen Kerl«, sagte sie, was mich ziemlich überraschte. »Es wäre mein Tod, mit diesem Menschen verheiratet zu sein. Dieser schleimige, widerliche Aufschneider. Allein der Gedanke, ihn zu küssen … Bäh.« Sie schüttelte sich.
    »Du hast bestimmt schon viele Mädchen geküsst, oder?«, wollte sie wissen.
    »Hm!«, machte ich und versuchte, mich vor einer Antwort zu drücken. In Wahrheit hatte ich noch gar keins geküsst. Andere Kadetten waren da schon weiter. Prüm etwa war immer mit den älteren Kameraden in ein Haus gegangen, wo man Frauen für eine Stunde mieten konnte. Das wollte ich nie.
    »Hast du eine Freundin?«, bohrte Leela weiter.
    Um sie abzulenken, sagte ich: »Aber du wirst Donard vielleicht trotzdem heiraten müssen.«
    Leela sah mich verschmitzt an. »Mal sehen«, sagte sie nur und hob die Schultern.
    »Hätte dein Vater keinen Besseren für dich aussuchen können?«, fragte ich.
    Leela lachte. »Darum geht es nicht. Es ist eine politische Heirat. Mein Vater kann Donard und dessen Familie nicht ausstehen. Aber die großen Familien verbinden sich untereinander, so ist die Tradition.«
    »Das ist ja, als würde man eine Kuh auf dem Markt

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