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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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Leela.
    »Glaube ich nicht«, sagte ich. »Dafür braucht man eine Genehmigung. Und die ist nicht so einfach zu bekommen.«
    »Eine Genehmigung?«, fragte Leela ungläubig. »Um aus diesem Loch wegzuziehen?«
    »Was denkst du denn? Die Zefs haben sich dem Fabrikbesitzer verpflichtet. Dafür gibt er ihnen ein Haus, was zu essen und Geld für Bier. Außerdem … da ist er«, rief ich leise und zeigte mit dem Finger auf einen Mann, der gerade aus dem Gemeindehaus trat und tief die kühle Nachtluft einatmete.
    Geduckt schlichen wir den Hügel hinunter und hinter den Häusern entlang, um Roger den Weg abzuschneiden. Er hatte eine Zigarette im Mundwinkel hängen und schlenderte mit in den Taschen vergrabenen Händen über den Dorfplatz. In der Mitte blieb er stehen, um die Asche abzustreifen.
    »Roger!«, rief ich leise. Er sah in unsere Richtung, ging jedoch weiter. Ich rief erneut.
    »Wer ist da?«, fragte er unsicher.
    »Ein Freund«, antwortete ich.
    Vorsichtig kam Roger auf unser Versteck zu. Als er nahe genug war, zog ich ihn in den Schatten und hielt ihm den Mund zu.
    »Hör zu, ich tu dir nichts. Wenn du nicht wegläufst, lasse ich dich los.«
    »Mmmpf«, machte Roger, was ich als Zustimmung wertete.
    Als er mich erkannte, weiteten sich seine Schafsaugen. »Du?«, sagte er. »Du bist ein Terrorist, du wolltest den Kanzler töten und hast seine Tochter entführt.«
    »Nicht so laut«, beschwor ich ihn.
    Er sah Leela an. »Hat er dir etwas getan?«
    »Nein, nein«, sagte sie. »Es ist alles in Ordnung.«
    »Ich werde dich befreien«, sagte Roger heldenhaft, ging in Boxstellung und schlug ein paar Löcher in die Luft. Fast hätte ich losgelacht.
    »Hör auf!«, sagte Leela. »Er hat mich nicht entführt.«
    »Nicht?«, fragte Roger.
    Leela und ich redeten gleichzeitig auf ihn ein, erzählten ihm, wie es wirklich gewesen war, doch er glaubte uns nicht.
    »Aber der Rundfunk hat es doch berichtet«, sagte er immer wieder.
    »Das ist nicht die Wahrheit, sie lügen«, sagte Leela mehrmals. Ich hatte ihr mittlerweile das Sprechen überlassen, mir glaubte er sowieso nicht.
    »Es ist eine Verschwörung«, sagte sie.
    »Eine Verschwörung?«, wiederholte Roger langsam, als hätte er das Wort nie gehört. Fast bereute ich es, hierhergekommen zu sein.
    Leela erklärte ihm erneut, was passiert war.
    »Mensch, das gibt’s doch nicht!«, sagte Roger mehrmals und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    »Du musst uns helfen«, sagte ich.
    Auf diesen Gedanken war er noch gar nicht gekommen.
    »Euch helfen? Wie denn?«
    »Du musst uns verstecken«, sagte ich. »Nur ein paar Tage, bis Cato wieder abgesetzt ist.«
    »Wer sollte Cato denn absetzen?«, fragte Roger erstaunt.
    »Die Armee«, sagte ich.
    »Aber er ist doch die Armee«, sagte Roger.
    »Aber die Leute wollen ihn nicht«, sagte Leela.
    »Doch, wir wollen ihn«, sagte Roger überzeugt. »Er hat versprochen, uns die Freiheit zu bringen und die Senatsbürger einzusperren, die uns ausbeuten. Wir bekommen die Fabrik, hat er gesagt.«
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Cato Unterstützer unter den Zefs hatte, aber ich wollte nicht mit Roger handeln, deshalb sagte ich: »Du schuldest mir was. Ich habe dich nicht verraten, als du mich damals angegriffen hast.«
    Roger kratzte sich am Kopf und sagte: »Das stimmt.«
    Er sah sich hastig um und winkte uns, ihm zu folgen. An einer hölzernen Scheune hing ein Fahndungsbild von mir, direkt neben Burgers Konterfei. Die Armee war ziemlich schnell, das musste ich ihr lassen.
    In Rogers zerfallenem Haus waren mehrere Fensterscheiben kaputt. Sie waren mit Stofffetzen gestopft, durch die der Wind pfiff. In dem größeren Raum standen ein verdreckter Herd, ein Tisch und zwei wacklige Stühle. In einem Regal lagerten seine Habseligkeiten: Kleidung, ein gesprungener Teller mit einem aufgedruckten Foto seiner Eltern und ein altmodischer Wecker.
    »Habe ich im Wald gefunden«, erklärte Roger. Ich klopfte gegen das schmutzige Glas. Die Zeiger zitterten leicht. Niemand benutzte Uhren. Seit der Großen Katastrophe bestimmten unsere Vorgesetzten den Tagesrhythmus.
    »Ich werde ihn den Eltern meiner zukünftigen Frau als Brautgeschenk geben«, sagte er stolz. Vorsichtig stellte er ihn zurück ins Regal.
    Eine niedrige Tür, die anscheinend für Zwerge gemacht worden war, führte in eine fensterlose Kammer, in der ein eisernes Bettgestell mit einer verdreckten Matratze stand.
    »Da haben meine Eltern früher drin geschlafen«, sagte Roger.

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