Das Ende der Welt (German Edition)
sind gefallen: Kanzler Cato hatte die Bauern zu mehr Volkssinn aufgefordert, ebenso die Produzenten von Brot, die nun Preissenkungen für die nächsten Tage angekündigt haben.
Zwischen den einzelnen Meldungen kamen kurze Durchhalteparolen wie: Ruhe ist jetzt die oberste Pflicht des Volkes!
Dann ging es mit den Nachrichten weiter :
Durch die Beibehaltung des Ausnahmezustands und die Auflösung des Parlaments ist die Regierungsgewalt jetzt in den Händen Kanzler Catos konzentriert. Er hat seine Anstrengungen verdoppelt, um unser Volk zu befrieden und zu einen.
Zwischendurch las ein zehnjähriger Junge ein Jubelgedicht auf Cato vor. Es hieß: Cato, unsere Sonne!
Dann wieder Nachrichten:
Oberst Sönn wurde zum Oberbefehlshaber der Armee ernannt. Er ist den Terroristen auf der Spur. Als erste Maßnahme ließ er Sympathisanten und andere Feinde verhaften.
Dass ausgerechnet Sönn mich verraten hat, dachte ich wütend und drehte angewidert am Sendeknopf. Aus dem mickrigen Lautsprecher rauschte es verzerrt, und doch hatte ich den Eindruck, eine Stimme zu hören.
»Mach das aus!«, jaulte Roger, der gerade hereingekommen war. »Sie bringen uns sonst um.«
Er versuchte den Sender zu wechseln, aber ich stieß ihn weg.
»Was ist das?«, fragte Leela verwirrt und drehte am Sender, bis die Stimme deutlicher war: FREUNDE! DAS DIKTATORISCHE SYSTEM CATOS BELÜGT EUCH. SIE SELBST SIND DIE TERRORISTEN. SIE MORDEN UND FOLTERN, UM IHRE MACHT DURCHZUSETZEN UND ZU ERHALTEN. FREIHEITSKÄMPFER, KOMMT ZU UNS, KÄMPFT IN UNSEREN REIHEN.
Die Stimme brach ab, und nur das Rauschen war noch zu hören.
»Das war Burger«, sagte Roger. Seine Unterlippe zitterte, jegliches Blut war daraus gewichen. »Es ist streng verboten, zuzuhören. Sie richten einen hin, wenn sie einen dabei erwischen.«
»Burger?«, fragte ich ungläubig. »Im Radio?«
Roger nickte. »Sie senden mehrmals am Tag ihre Botschaften. Wusstest du das nicht?«
Mir schwirrte der Kopf, und einmal mehr fragte ich mich, was ich überhaupt wusste. Gleichzeitig flammte mein Hass auf Burger wieder auf. Dieser Mörder wagte es, seine Botschaften über das Radio zu verbreiten.
»Die Stimme klang gar nicht so unmenschlich, wie ich sie mir immer vorgestellt habe«, sagte Leela nachdenklich. »Eher normal.« Sie sah mich an.
»Und wenn Burger gar nicht so ist, wie die Armee behauptet? Vielleicht ist er genauso ein Opfer wie wir.«
»Was redest du denn da?«, fragte ich fassungslos.
»Du hast doch gehört, was Wolf sagte. Cato steckt hinter den Anschlägen«, sagte sie.
»Burger ist ein Mörder, ein Terrorist. Der schlimmste von allen«, schrie ich.
Leela machte den Mund auf, als ob sie noch etwas sagen wollte, ließ es dann aber sein.
»Zur Feier eures ersten Arbeitstages werde ich ein Festessen für euch kochen«, verkündete Roger freudestrahlend und hielt eine Tasche hoch, aus der kleine gehäutete Tierfüße ragten.
Während Leela sich wusch, spazierte ich durch die Siedlung und sah mich unauffällig nach einem möglichen Fluchtweg um. Da hier keine kriegswichtigen Güter hergestellt wurden, war der Ort kaum gesichert. Nur die beiden Wachmänner mit ihrem Hund patrouillierten über das Gelände.
Zwischen den einzelnen Hütten waren mickrige Beete gerodet, in denen die Zefs ihr Gemüse zogen. Mir fielen die vielen Kinder auf, die Soldaten spielten. Sie waren mager wie ausgehungerte Ratten.
Leelas Stimme riss mich aus meinen Überlegungen.
Um den Hals hatte sie sich eine selbstgebastelte Kette aus Blüten geschwungen.
»Also dann«, sagte sie und hielt mir ihren Arm hin. Ich ergriff ihn. »He, du sollst mich nicht abführen wie eine Gefangene. Du sollst deinen Arm in meinen haken.«
Ich tat, was sie verlangte, und kam mir ziemlich albern dabei vor.
In Rogers Haus erwartete uns eine Überraschung. Seine Verlobte Bertha war ebenfalls da. Ein stämmiges und schmuckloses Mädchen, das uns feindselig beäugte. Bertha hatte ihr Haar nach Arbeiterinnenart zu einem Kranz geflochten, der wie eine Krone auf ihrem runden Kopf lag.
»Du trägst eine Kette, wie ein dekadentes Bürgerkind«, sagte sie voller Verachtung zur Begrüßung zu Leela. »Du bist wohl nicht für die neue Zeit.«
Leela starrte sie erschrocken an. »Doch«, sagte sie schnell und riss sich die Blüten vom Hals. »Ich hatte nicht nachgedacht.«
»Solltest du aber«, sagte das Mädchen schroff. »Jetzt, wo General Cato das Sagen hat, wird sich einiges ändern. Vor allem für uns Arbeiter.«
»Jetzt lass
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