Das Ende der Welt
aber bleib cool. Wir sind drei erwachsene Menschen und werden es regeln.«
»Aber dann ist es anders gekommen«, sagte ich.
Rob nickte. »Die haben rumgebrüllt, und Paul hat so was gesagt wie:
Ich wusste es, ich wusste immer, du liebst mich nicht, du hast die ganze Zeit rumgevögelt,
und sie hat geschrien:
Das Komische ist, dass ich dich tatsächlich geliebt habe, du Wichser, bevor du alles kaputt gemacht hast!
Du weißt ja, was die Leute so sagen.«
Ich nickte. Das wusste ich wirklich. Manchmal braucht es nur ein Wort, das begriff ich jetzt. Nur ein Wort, und alles ist zu Ende. Oder fängt von neuem an.
»Sie brüllen also ewig rum, und ich sitze einfach nur da. Es war, wie ich sagte … Ich wurde immer nervöser. Ich habe richtig Panik bekommen, warum, weiß ich selbst nicht. Ich glaube …«
»Ja?«, hakte ich vorsichtig nach.
»Damals war es mir nicht klar, aber jetzt glaube ich, ihre Art zu streiten hat mich an meine Eltern erinnert. So haben meine Eltern sich gestritten, bis es dann wirklich ernst wurde, bis sie versucht haben, sich gegenseitig umzubringen. Manchmal war es wirklich knapp. Einmal lag meine Mom im Koma, und wir wussten nicht, ob sie überleben würde. Die Polizisten standen draußen auf dem Gang, um meinen Dad wegen Mordes zu verhaften, aber sie starb nicht. Sie starb erst später, an Krebs. Aber so war es damals, dieselbe Spannung hing in der Luft.«
Mein Gesicht war auf einmal nass, und ich merkte, dass ich ebenfalls weinte. Der Junge tat mir leid. Alle taten mir leid, die ganze verdammte Welt. Unsere verdammten Herzen. Kein Wunder, dass man heutzutage so schwer an eins herankam. Die Herzen versteckten sich, versuchten das bisschen, was ihnen geblieben war, für jemand Besonderes aufzusparen, für jemanden, der sie liebte. Oder der sie wenigstens nicht ermordete.
»Sie streiten, und irgendwie hat Lydia meinen Revolver in der Hand. Da wusste ich es. Da war es glasklar. Einer von uns würde den Raum nicht lebend verlassen. Und so …«
»Warte mal«, sagte ich. »Du hattest einen Revolver? Und plötzlich hielt Lydia ihn in der Hand? Hast du ihn ihr gegeben?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, das hätte ich niemals getan. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, da gehören Waffen einfach dazu. Wir haben sie zu den falschen Zwecken eingesetzt, meine Eltern im Streit zum Beispiel, aber wir haben sie auch gebraucht. Es gab Klapperschlangen und Pumas und so. Und da draußen wählt man nicht einfach den Notruf. Nur aus dem Grund war ich bewaffnet. Ich habe mich dran gewöhnt, so habe ich mich einfach sicherer gefühlt. Und später das harte Straßenleben und so. Ehrlich, ich habe auf das Ding immer gut aufgepasst, ich habe es nie missbraucht. Die meisten Leute wussten nicht einmal, dass ich es hatte.«
Wahrscheinlich war er bis zu jener verhängnisvollen Nacht auf zwei Dinge in seinem Leben stolz gewesen: seinen Revolver und die Affäre mit Lydia. Und nun waren beide weg.
»Aber in so einem Haus, in so einem Streit eine Waffe einsetzen, nein, das hätte ich niemals gemacht. Nie im Leben.« Er hielt inne und starrte zu Boden. »Ich glaube nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte ich sanft. »Aber ich verstehe es nicht. Wie ist Lydia an die Waffe gekommen?«
»Nun«, sagte er verschämt, so als wolle er es nicht zugeben, »ich hatte sie dabei. In meinem Rucksack. Ich habe in einem besetzten Haus in Oakland gewohnt und …« Er sah mich an. »Okay. Ehrlich gesagt glaube ich, dass Lydia sie schon früher genommen hat. Ich dachte, sie ist in meinem Rucksack, denn da war sie immer, weil dieses Haus in Oakland kein besonders sicherer Ort war. Deswegen habe ich sie immer bei mir getragen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wann ich das Ding zum letzten Mal gesehen habe. Vielleicht hat sie die Waffe herausgeholt, als Paul reinkam, vielleicht schon eine Woche früher.«
»Und du bist sicher, dass es deine Waffe war?«, fragte ich.
»O ja«, sagte er, »es war mein Colt. Ich besaß ihn, seit ich ein kleiner Junge war.« Er runzelte die Stirn.
»Weißt du, was damit passiert ist?«, fragte ich. »Wenn wir ihn wiederfinden, können wir ihn als Beweisstück einreichen, und später kannst du ihn vielleicht zurückbekommen.«
Er schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn in die Bucht geworfen.«
»Wie ging es weiter?«, fragte ich. »Sie haben sich gestritten, und auf einmal hatte Lydia deinen Revolver.«
Er nickte. »Und
er …
« Ich merkte, dass er Pauls Namen nicht aussprechen wollte. »Als sie die Waffe
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