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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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Rumlungern erwische«, fügte er hinzu, »verpasse ich euch persönlich eine Abreibung.«

[home]
    38
    W ir gaben uns geschlagen und fuhren mit der Linie M zurück zur Lower East Side. Wir fingen mit einer Bar an der First Avenue an. Tracy hatte einen Plan, und er war gut. Wir kannten den Barmann, er hieß Greg und hatte früher gesoffen und in Punkbands gespielt; inzwischen soff er nur noch. Er war noch jung, nicht einmal fünfundzwanzig, aber sein Lebensweg schien klar; auf dem Highway des Schicksals raste er ungesunden Beziehungen, einem Leben auf der Straße und einem frühen Tod entgegen.
    Tracy und ich bestellten Tequila, zwei für uns und einen für Greg.
    »O mein Gott«, sagte Tracy, genau so, wie wir es einstudiert hatten. »Gestern habe ich Vanishing Center in der International Bar gesehen. Sie saßen einfach da rum und haben was getrunken. Ich habe versucht, CC auf mich aufmerksam zu machen, aber er hat mich kaum beachtet.«
    »Igitt«, sagte ich, das Drehbuch befolgend. »Er ist widerlich. Wie kannst du den gut finden?«
    »Ich finde ihn süß«, sagte Tracy. »Greg, du kennst ihn persönlich, oder?«
    »Ja«, sagte Greg, ein wenig stolz auf die Bekanntschaft.
    »Noch einen Tequila, bitte«, sagte ich. »Wo wohnt er eigentlich?«
     
    Eine Stunde später waren wir leicht angetrunken und wussten eine ganze Menge über CC . Er war vor zwei Wochen aus seiner Wohnung geflogen. Er hatte sie ohnehin nur besetzt. Ich fragte mich, wie man aus einer besetzten Wohnung fliegen konnte. Bald hatten wir sie gefunden und unterhielten uns mit einem Typen mit stacheliger Irokesenfrisur, der eine rotkarierte Hose und eine Lederjacke ohne etwas darunter trug. Wir befanden uns in der 7 . Straße, zwischen den Avenues C und D. Der Irokese roch, als hätte er sich noch nie im Leben gewaschen, aber wir fanden ihn trotzdem süß. Vielleicht gerade deswegen? Das Haus war ein alter Apartmentblock, der nicht unbedingt baufälliger als die Nachbargebäude war, dafür aber nur noch wenige Türen hatte und über und über von Graffiti bedeckt war.
    »Mal ehrlich«, sagte der Irokesenjunge. Die Haut unter seiner Lederjacke schimmerte weiß und glatt. »Du liebe Güte. Ihr könnt euch vorstellen, was man sich leisten muss, um hier rauszufliegen.«
    »Klar«, sagte Tracy. »Was denn?«
    Wir saßen im Quasi-Wohnzimmer der Quasi-Wohnung auf einem dreckigen Sofa. Ein wunderschönes, ungewaschenes Mädchen, höchstens ein oder zwei Jahre älter als wir, hatte uns die Tür aufgemacht. Als wir nach CC fragten, verdrehte sie nur die Augen und rief den Irokesen. Sie nannte ihn
Boss.
    »Erstens, er hat auf den Fußboden geschissen«, sagte der Irokesenjunge. »Ich meine, es gibt hier nicht viele Regeln, aber diese eine finde ich wirklich sinnvoll. Klar, die Toiletten sind oft verstopft, aber zur Not kann man auch in einen Mülleimer scheißen. Mann!«
    »Ja, echt«, sagte Tracy. »Mann!«
    Tracy besaß das erstaunliche Talent, einfach jeden Menschen in ein Gespräch verwickeln zu können und ihm dabei das Gefühl zu geben, dass sie vollkommen auf seiner Seite stand und ähnliche Erfahrungen gemacht hatte. Es war, als hätte sie selbst schon mit dem Dilemma »auf den Fußboden vs. in den Mülleimer scheißen« zu kämpfen gehabt.
    »Und dann«, sagte der Irokese, »immer dieses Theater mit den Rasierklingen.« Er hatte breite Hände und kurze, eckige Finger. Seine Hände wirkten viel älter als seine Brust.
    »Ja«, sagte Tracy. »Was bedeutet das genau?«
    »Ich will nur sagen«, sagte der Irokesenjunge, »dass ich Blut total uncool finde. Man weiß schließlich nie, wer was hat, oder? Wenn du unbedingt mit Messern spielen willst – bitte sehr. Aber doch nicht auf anderer Leute Betten!«
    »Wow«, sagte Tracy.
    »Wow«, pflichtete ich ihr bei.
    »Echt«, sagte der Irokesenjunge.
    »Und du hast keine Ahnung, wo er jetzt wohnt?«, fragte ich.
    »Sorry«, sagte der Irokese. »Also hin und wieder sehe ich ihn noch, aber insgesamt versuche ich, ihm aus dem Weg zu gehen. Er macht nichts als Ärger. Übrigens. Meine Band tritt am Sonntag im Hell auf. Falls ihr noch nichts vorhabt …«
    Wir kannten das Hell. Ein Sadomaso-Club auf der West Side. An den veranstaltungsfreien Tagen traten dort Punkbands auf.
    »Das ist echt cool«, sagte Tracy. Ich konnte nicht sagen, ob sie es tatsächlich cool fand oder immer noch eine Rolle spielte.
    Wir nahmen einen Flyer für das Konzert mit, bedankten uns und gingen. Wir liefen zurück zum Sophie’s und

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