Das Ende der Weltraumstadt
wirklich. Doch auch du darfst dich nicht ändern, hörst du! Wenn du deine Identität änderst, bist du nicht mehr der Cal, den ich liebe. Veränderst du dich ganz von allein, ist es schön und gut, aber ich möchte keinesfalls, daß die Persönlichkeit meines zukünftigen Ehemanns künstlich geändert wird. Du liebst deine Zahlen und Kodes und Kryptogramme. Du bist ein Romantiker, Cal, bleib, wie du bist.«
»Nur daß ich hin und wieder der Feigheit beschuldigt werde.«
»Feigheit?«
»Du weißt ja, daß ich von Natur aus ziemlich ruhig bin. Ich kann mich über nichts so leicht erregen, außer natürlich über Benj und seine schmutzigen Tricks. Deshalb liegt es mir auch nicht, irgend jemanden zu beleidigen, und ich habe so manchesmal Streitereien abgebogen, indem ich an die Vernunft der anderen appellierte. Und wenn man mich wirklich zum Duell forderte, wählte ich das Rapier. Man kritisiert mich deshalb, Tink, denn die wenigsten wollen Degen mit mir kreuzen, und die, die es bisher doch taten, kamen nicht ungeschoren davon. Deshalb beschuldigte man mich, mein eigenes Spiel zu spielen.«
»Aber das ist doch sehr vernünftig. Das ist deine Identität, Cal, laß dich ja nicht von ihnen aufhetzen, es mit Drillern zu versuchen.«
»Das würde ich auch nicht. Ich könnte mit einem Nadelstrahl nicht einmal ein Scheunentor treffen.«
»Bleib, wie du bist, Cal.«
»Aber das löst das Problem nicht. Raumflüge bedeuten dir so viel, und ich hasse sie. Du liebst Medizin und Neurochirurgie. Ich kann den Geruch von Neoform nicht ausstehen. Mir sind All und Chirurgie zuwider – und du bist verrückt nach beidem. Beides zu vereinen und zu meinem Lebensinhalt zu machen – das kann ich nicht!«
Der Geist Hellion Murdochs – des Piraten, Abenteurers und Neurochirurgen – rührte sich in seinem langen, langen Schlaf. Piraten sterben nie, sie schließen sich ihresgleichen in Legenden und Mythen an, und durch ihre Helfer, die Historiker und Schriftsteller, werden ihre Verbrechen beschönigt, ja sogar verherrlicht, und sie werden zu freiheitsliebenden Seelen, die gegen die ihnen von einer pharisäischen Gesellschaft auferlegten Beschränkungen kämpften.
Und so war Hellion Murdoch Captain Kidd, Henry Morgan, Dick Turpin und Robin Hood gleichgestellt worden. Und wie sie sollte er irgendwo einen sagenhaften Schatz vergraben haben, der schließlich als »Murdochs Hort« in die Legenden einging, und der von unzähligen im ganzen Sonnensystem gesucht, doch nie gefunden worden war.
Aber Cal Blairs Worte weckten den Geist Hellion Murdochs. Immer wieder hörte er sie sich an, als sie durch die Räume seiner Piratenzitadelle im Jenseits hallten, und diese gleichen Räume gaben dann auch sein schallendes Gelächter wieder, das Cal Blairs Worten folgte. Hellion Murdochs Geist sprang auf und raste mit Gedankenschnelle zu einem Postschlucker.
Mit der Zehe stupste er ein Päckchen aus seinem Versteck, wo es seit vielen Jahren gelegen hatte. Mit seinem Geisterstift fuhr er einige Zeichen nach und bediente sich des Stiftes mit dem Geschick eines Meisterfälschers. Die Marke war durch den verwischten und unentzifferbaren Stempel kaum noch zu erkennen. Der Absender war gekritzelt und unleserlich, aber die Adresse war noch erkennbar. Das Wasser hatte der so gut wie unzerstörbaren Verpackung und der Tinte des Originals übel mitgespielt, aber als die Geisterfinger Murdochs fertig waren, sah das Päckchen nicht schlimmer aus als eines, das durch den Versand leicht mitgenommen war.
Mit der Zehe stieß er es in den Postschlucker und beobachtete, wie die Maschinerie es zum nächsten Postamt beförderte. Von dort wurde es weitergeleitet und landete bald im Postfach in Cal Blairs Apartment.
Cal betrachtete das Päckchen neugierig. Er hatte nichts bestellt und erwartete auch nichts durch die Post. Der Stempel war so verschmiert, daß er nicht zu entziffern war, und auf die Marke, die ihm vielleicht zu denken gegeben hätte, achtete er nicht. Die Adresse? Nun, die Ziffern waren lesbar und zweifellos seine. Der Name war gekritzelt, und die Verpackung war gerade dort aufgerissen. Offenbar hatte die scharfe Kante eines anderen Pakets sie dort aufgeschlitzt.
Cal studierte das Päckchen mit dem Interesse eines Dekodierungsfachmanns, schließlich hielt er es doch für einfacher, es aufzumachen und nachzusehen. Vielleicht befand sich ein Lieferschein im Innern oder ein Brief …
Papier hat sich in den letzten fünfhundert Jahren kaum verändert,
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