Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
eigenen Motive zum Kauf dieser Schuldtitel.
Doch auch sie haben ihre Schmerzgrenze. Das zunehmende Unbehagen der ausländischen Investoren lässt sich daran ablesen, dass
sie ihre amerikanischen Anleihen nicht mehr so lange halten wie früher. Noch vor zehn Jahren betrug die durchschnittliche
Restlaufzeit von US-Staatsanleihen knapp 60 Monate. Im Jahr 2009 war sie auf unter 50 Monate geschrumpft, was die wachsende
Besorgnis vor einem zufälligen oder geplanten Wertverlust des Dollars zum Ausdruck bringt. Tatsächlich befürchten manche Gläubiger
angesichts der schwindelerregenden Verschuldung, dass die Vereinigten Staaten gezielt versuchen könnten, den Dollar durch
Monetisierung des Defizits zu entwerten – dass sie also, mit anderen Worten, aus dem Nichts neues Geld drucken könnten. Die
quantitative Lockerung ist im Grunde nichts anderes.
Wären die Vereinigten Staaten ein Schwellenland, hätten Investoren längst das Vertrauen in ihre Währung und ihre Zahlungsfähigkeit |337| verloren. Das ist nicht der Fall, und daran zeigt sich, dass die Vereinigten Staaten noch immer als ein Land gelten, das nötigenfalls
Steuern anhebt und Ausgaben kürzt, um seinen Haushalt zu konsolidieren. Das gelang Anfang der neunziger Jahre nach einem Jahrzehnt
rasant anwachsender Defizite, und es gibt keinen Grund, warum dies nicht wieder gelingen sollte. Überdies sind die Vereinigten
Staaten im Gegensatz zu vielen Schwellenländern mit ihrer öffentlichen Verschuldung noch nie in Verzug geraten. Das ist für
die Investoren sehr beruhigend. Der letzte und wichtigste Punkt ist aber, dass die Vereinigten Staaten im Ausland Kredit in
eigener Währung aufnehmen. Die potenzielle Abwertung des Dollars verteuert ihre Verbindlichkeiten also nicht. Dieses Risiko
haben vielmehr die ausländischen Gläubiger.
Das ist ein entscheidender Unterschied. Das bedeutet jedoch nicht, dass ausländische Gläubiger bis in alle Ewigkeit für Hunderte
von Milliarden niedrig verzinste amerikanische Staatsanleihen aufkaufen. Irgendwann werden sie Realwerte fordern, beispielsweise
Eigentumsanteile an amerikanischen Unternehmen. Bislang haben sich die Vereinigten Staaten einer ausländischen Beteiligung
an ihren wichtigsten Unternehmen widersetzt. Im Jahr 2005 verhinderte ein öffentlicher Aufschrei, dass die China National
Offshore Oil Corporation eine Beteiligung an Unocal erwarb. Im Jahr darauf wurde mit einer ähnlichen Reaktion vereitelt, dass
eine staatliche Betreibergesellschaft aus Dubai (Dubai Ports World) mehrere wichtige Häfen der Vereinigten Staaten übernahm.
Diese Scharmützel sind Ausdruck eines gewissen »Vermögensprotektionismus«. Damit versuchen die Vereinigten Staaten, ihren
immer mächtigeren Gläubigern vorzuschreiben, wo diese ihr Geld anzulegen haben. Das war auch während der Finanzkrise so, als
mehrere der größten Banken des Landes bei staatlichen Investitionsfonds aus dem Nahen Osten und Asien hausieren gingen, ohne
diesen eine nennenswerte Kontrolle einräumen zu wollen. Viele dieser Investoren haben sich die Finger verbrannt. Es ist daher |338| höchst unwahrscheinlich, dass sie sich das nächste Mal mit einem Beifahrersitz begnügen, wenn sie das System wieder mit ihrem
Geld retten sollen.
Viele Politiker sind sich gar nicht bewusst, wie wenig Einfluss die Vereinigten Staaten auf die Länder haben, die ihr Doppeldefizit
in Haushalt und Leistungsbilanz finanzieren. Sie verweigern den Chinesen Beteiligungen an amerikanischen Unternehmen und drohen
mit protektionistischen Maßnahmen, wenn China seine Währung nicht neu bewertet. Das ist nicht nur albern, sondern dumm. In
Wirklichkeit finanziert China die amerikanischen Kriege in Afghanistan und im Irak, ganz zu schweigen von der Rettung des
Finanzsystems und der Reform des Gesundheitswesens. Dieses nationalistische Geschrei kommt vielleicht bei den Wählern zu Hause
gut an, doch Chinas Geduld hat ihre Grenzen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass damit Chinas Weg zur globalen Vorherrschaft frei ist. In China entfallen nur 36 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts auf den Verbrauch, in den Vereinigten Staaten sind es über 70 Prozent. 10 Während der Inlandskonsum in den Vereinigten Staaten zu hoch ist, ist er in China immer noch viel zu niedrig. Das Wachstum
der chinesischen Wirtschaft ist nach wie vor in erheblichem Umfang von billigen Exporten in die Vereinigten Staaten abhängig,
die wiederum durch den Verkauf von
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