Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Schuldtiteln an China finanziert werden. Diese unheilvolle Symbiose, die Paul Krugman mit
den Worten »sie geben uns vergiftete Produkte, wir geben ihnen wertloses Papier« beschreibt, stellt eine Bedrohung für Chinas
langfristige Interessen dar.
Es gibt aber auch noch andere Probleme. China hat unbestreitbar atemberaubende Reserven. Einen Teil seiner gut gefüllten Kriegskasse
verwendet es für ein umfangreiches Konjunkturprogramm zum Ausbau der nationalen Infrastruktur. Mit einem anderen Teil versucht
es, staatlich kontrollierte Banken zu zwingen, verschiedenen Staatsbetrieben Kredite zu gewähren. Das kann kurzfristig funktionieren,
ist aber auf lange Sicht nicht haltbar. Kredite zum Bau weiterer Fabriken in einer Weltwirtschaft, die bereits an Überkapazität |339| erstickt – das ist keine Lösung. Das trägt höchstens zur Bildung einer Spekulationsblase in China bei, die den nationalen
Banken am Ende eine Reihe fauler Kredite einträgt.
Im Jahr 2010 befinden sich China und die Vereinigten Staaten noch immer in einem Zustand, den der Wirtschaftswissenschaftler
Larry Summers als »Gleichgewicht des finanziellen Terrors« bezeichnete. 11 Keine Seite kann etwas unternehmen, ohne dieses empfindliche Gleichgewicht zu stören. China muss weiter amerikanische Anleihen
kaufen, um zu verhindern, dass sein größter Absatzmarkt zusammenbricht. Und die Vereinigten Staaten können nicht weiter protektionistische
Barrieren auftürmen, weil China andernfalls ihren verschwenderischen Lebenswandel nicht länger finanziert.
Der Ausweg aus dieser Klemme ist offensichtlich. Beide Länder müssen zeitgleich Schritte unternehmen, um ihre Leistungsbilanzen
wieder ein Stück weit ins Gleichgewicht zu bringen. Die Vereinigten Staaten müssen ihr Doppeldefizit, also das explodierende
Haushaltsdefizit und die niedrige private Sparquote, bekämpfen. Ein erster Schritt auf dem Weg zur Schuldentilgung wäre die
Rücknahme der fehlgeleiteten Steuersenkungen der Bush-Regierung. Die Amerikaner irren sich, wenn sie glauben, dass sie in
den Genuss von Sozialleistungen nach europäischem Muster kommen und gleichzeitig ihre niedrigen Steuersätze beibehalten können.
Und die Vorstellung, dass die Chinesen die Rechnung schon bezahlen werden, ist reines Wunschdenken.
China und andere asiatische Schwellenländer müssen dagegen eine Aufwertung ihrer Währungen zulassen. Außerdem müssen sie Strukturreformen
durchführen, um die Sparneigung zu dämpfen und die Inlandsnachfrage anzukurbeln. Sie müssen beispielsweise konkrete Schritte
zur Förderung von Verbraucherkrediten unternehmen, denn derzeit bezahlen die meisten Chinesen beim Hauskauf noch bar. Es müssen
aber auch soziale Sicherheitsnetze wie eine Arbeitslosenversicherung und eine Gesundheitsversorgung geschaffen werden, wie
sie in Industrienationen üblich sind. Mit diesen grundlegenden Schritten hätten Chinas Bürger eine |340| gewisse Sicherheit und müssten nicht mehr jeden Cent – oder Renminbi – für schlechte Zeiten auf die hohe Kante legen. Ohne
solche Reformen wird China seine für ihre Anspruchslosigkeit berüchtigten Bürger kaum davon abbringen, die Vereinigten Staaten
weiter zu subventionieren.
Die übrige Welt kann das Ihre dazu beitragen und eigene Überschüsse abbauen. Hoch entwickelte Volkswirtschaften wie Deutschland,
Frankreich und Japan müssen Strukturreformen vorantreiben, um Investitionen, Produktivität und Wachstum zu fördern und die
Leistungsbilanzüberschüsse zu verringern. Erdölexportierende Länder wie Saudi-Arabien müssen ihre Währungen stärken und ihre
Konsumausgaben und Investitionen in verstärkte Ölexploration und -förderung erhöhen.
Diese Maßnahmen würden einen geregelten Ausgleich der internationalen Leistungsbilanzen erleichtern. Leider scheinen die Akteure
in diesem Drama nicht bereit zu sein, die notwendigen Schritte zu unternehmen. Jeder scheint zu hoffen, dass der augenblickliche
Zustand – steigende Überschüsse auf der einen und wachsende Defizite auf der anderen Seite – auf lange Sicht tragbar ist.
Doch das ist ein Irrtum. Wenn sich nichts ändert, wird sich der Druck so lange aufbauen, bis er nicht mehr kontrollierbar
ist. Dann kommt es zu einem Knall, dessen Folgen unmöglich vorauszusagen sind. Die darauffolgende Krise sähe ganz anders aus
als das in Kapitel 1 angesprochene übliche Auf und Ab. Sie wäre weniger eine Folge der dem Kapitalismus eigenen
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