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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Instabilität
     als vielmehr eine tiefgreifende Verschiebung der geopolitischen Machtverhältnisse. Wenn herkömmliche Finanzkrisen mit leichten
     Erdstößen zu vergleichen sind, wären diese abrupten Veränderungen der globalen Ungleichgewichte und die damit einhergehenden
     Schulden- und Währungskrisen einzelner Staaten ein gewaltiges Erdbeben.
    Heute sind bereits leichte Vibrationen spürbar. Ein paar Industrieländer wurden von der Finanzkrise getroffen, und es kamen
     Zweifel an der langfristigen Bonität von Staaten wie Griechenland, |341| Irland, Italien, Portugal, Spanien und sogar Großbritannien auf. Einige dieser Länder – vor allem der sogenannte »Club Med«
     mit Griechenland, Italien, Portugal und Spanien – sind eher früher als später von der Zahlungsunfähigkeit bedroht, und die
     Europäische Union muss befürchten, dass die betroffenen Regionen in ein ähnliches Chaos stürzen könnten wie Argentinien im
     Jahr 2002 und Island im Jahr 2008.
    Solche Erschütterungen werden die Weltwirtschaft in neuen Aufruhr versetzen. Gegenüber dem »großen Beben«, einem raschen,
     unkontrollierten Einbruch des US-Dollars, nehmen sie sich jedoch noch harmlos aus.
     
     
    Der Niedergang des Dollars
     
    Ende der 1950er Jahre befanden sich die Vereinigten Staaten auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Sie verzeichneten einen Leistungsbilanzüberschuss,
     und der Dollar war internationale Reservewährung. Im berühmten Bretton-Woods-Abkommen, das kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs
     unterzeichnet wurde, einigten sich die beteiligten Länder auf feste Wechselkurse zum Dollar, und die Vereinigten Staaten verpflichteten
     sich, die in ausländischer Hand befindlichen Dollars in Gold einzutauschen.
    Die Fachwelt, insbesondere die amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler, hielt das seinerzeit einhellig für eine gute Idee,
     doch der aus Belgien stammende Wirtschaftsexperte Robert Triffin war da anderer Ansicht. 12 Im Jahr 1960 widersprach er der Vorstellung, eine Nationalwährung könne gleichzeitig als internationale Reservewährung dienen.
     Ein solches Arrangement lege die Saat für den eigenen Untergang. Triffin stellte fest, dass Nationen, die Reservewährungen
     ausgaben – Großbritannien im 19. und die Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert – in der Regel einen Leistungsbilanzüberschuss
     aufweisen. Dies bedeutete, dass mehr Dollars in die Vereinigten Staaten flossen als heraus.
    |342| Bis dahin ist alles wunderbar. Doch Triffin wies darauf hin, dass andere Länder die Reservewährung vorhalten mussten. Die
     resultierende Nachfrage nach Dollars erzeuge eine Gegenkraft und bewirke einen Abfluss von Dollars aus den Vereinigten Staaten.
     Triffin argumentierte, ein solcher Druck führe am Ende ein Leistungsbilanzdefizit herbei, das die Wirtschaftskraft der Vereinigten
     Staaten und damit auch den US-Dollar irgendwann aushöhlen würde. Damit stünden die Bedürfnisse der Vereinigten Staaten im
     Widerspruch zu den Bedürfnissen der übrigen Welt, was dem Niedergang des Dollars den Weg ebnen würde. Genau das traf schließlich
     im Jahr 1971 ein, als Präsident Nixon den Goldstandard aufgab.
    Triffins Dilemma hat bis heute Geltung. Der US-Dollar ist zwar nicht länger in Gold konvertierbar, er bleibt jedoch in der
     Praxis die Reservewährung, während die Nachfrage nach Dollars die globalen Ungleichgewichte noch verschärft. Manche Wirtschaftswissenschaftler
     behaupten, dass diese Konstellation – das sogenannte »Bretton-Woods-II«-System – in absehbarer Zukunft aufrechterhalten werden
     könne. Dollars fließen aus den Vereinigten Staaten in die Tresore der Zentralbanken in Asien und im Nahen Osten. 13
    Doch das unselige Arrangement ist ernsthaft überfordert. 14 Im Jahr 2001 machten US-Dollars über 70 Prozent der im Ausland gehaltenen Währungsreserven aus. Als das Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit
     der Vereinigten Staaten im folgenden Jahrzehnt allmählich außer Kontrolle geriet, verringerte sich dieser Anteil bis zum Jahr
     2008 auf 63 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte 2009 zeigten ausländische Zentralbanken eine noch ausgeprägtere Abneigung
     gegen den Dollar und eine starke Präferenz für den Euro und den Yen. Im dritten Quartal des Jahres 2009 wurden nur noch 37
     Prozent der neuen Reserven in US-Dollar angelegt, was eine erhebliche Differenz zum vorangegangenen Jahrzehnt darstellt, als
     dies noch durchschnittlich 67 Prozent waren. Stattdessen wurde ein wachsender Teil der

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