Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Andrew Mellon, Finanzminister der Regierung Herbert Hoovers,
hielt die Krise für ein längst überfälliges und reinigendes Gewitter. Hoover beschrieb Mellon als »Liquidierer« 22 , der kein Mitleid mit den Opfern der Krise hatte. »Liquidieren Sie Arbeit, liquidieren Sie Aktien, liquidieren Sie Bauern,
liquidieren Sie Immobilien«, soll Mellon ihm geraten haben. Er meinte, die Panik auf dem Finanzmarkt werde »das System von
der Fäulnis befreien. Hohe Lebenshaltungskosten und das Leben auf großem Fuß werden verschwinden. Die Menschen werden mehr
arbeiten und ein sittlicheres Leben führen.«
In den Jahren von 1929 bis 1933 stürzten die Vereinigten Staaten in die vermutlich tiefste Wirtschaftskrise ihrer Geschichte. 23 Die Arbeitslosigkeit stieg von 3,2 auf 24,9 Prozent. Mehr als 9 000 Banken setzten das Geschäft aus oder schlossen ganz,
und als Franklin Delano Roosevelt ins Weiße Haus einzog, war ein beträchtlicher Teil des amerikanischen Finanzsystems zusammengebrochen.
Im Rest der Welt bot sich ein ähnliches Bild. Viele Länder erlebten vergleichbare Arbeitslosenzahlen und wirtschaftliche Einbrüche. 24 Währungsstreitigkeiten führten zu Handelskriegen. Der berüchtigte Smoot-Hawley-Zoll der Vereinigten Staaten veranlasste andere
Länder, ähnliche Schutzzölle zu erheben, was den Welthandel an den Rand des Zusammenbruchs führte. Viele europäische Staaten
werteten ihre Währungen ab, entledigten sich über die Inflation ihrer Schulden oder stellten die Rückzahlung einfach ein.
So auch Deutschland, wo die Weltwirtschaftskrise Adolf Hitler an die Macht verhalf und auf diese Weise indirekt den schrecklichsten
Krieg in der Geschichte der Menschheit auslöste.
Bei all seinen furchtbaren Konsequenzen ermöglichte der |41| Zweite Weltkrieg immerhin eine umfassende Reform des globalen Finanzsystems. Im Jahr 1944, als das Kriegsende absehbar war,
trafen sich Wirtschaftswissenschaftler und Politiker der Alliierten in Bretton Woods im amerikanischen Bundesstaat New Hampshire,
um eine neue Weltwirtschaftsordnung festzulegen. 25 Ein Ergebnis ihrer Verhandlungen war die Gründung des Internationalen Währungsfonds, des Vorläufers der Weltbank, und eines
neuen internationalen Währungsgefüges, das als Bretton-Woods-System bekannt wurde. Demnach sollte jede internationale Währung
zu einem festen Wechselkurs in US-Dollar getauscht werden können. Ausländische Nationen, die sich im Besitz von US-Dollar
befanden, hatten die Möglichkeit, diese zum Preis von 35 US-Dollar pro Feinunze in Gold umzutauschen. So wurde der Dollar
zur Leitwährung der westlichen Welt, und die Vereinigten Staaten führten für den Handel mit anderen Ländern den Goldstandard
ein. Damit begann eine außergewöhnliche – und angesichts der Krisen der früheren Jahrhunderte anormale – Ära der finanziellen
Stabilität, eine
pax moneta
, die vom US-Dollar und der militärischen und wirtschaftlichen Stärke der neuen Weltmacht abhing. Diese Stabilität gründete
außerdem auf der Einrichtung von gesetzlichen und freiwilligen Einlagensicherungen, mit deren Hilfe ein Bankenrun verhindert
werden sollte; auf einer strengen Regulierung des Finanzwesens, etwa der strikten Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken
in den Vereinigten Staaten; und auf einer weitreichenden Kapitalkontrolle, mit der Schwankungen der Währungskurse begrenzt
werden sollten. Diese nationalen und internationalen Regelungen verhinderten mehr als ein Vierteljahrhundert lang das Aufkommen
finanzieller Exzesse und Spekulationsblasen.
Aber alles Gute hat einmal ein Ende, und so auch die Währungsordnung der Nachkriegszeit. 26 Das Bretton-Woods-System scheiterte im Jahr 1971, als die Vereinigten Staaten den Goldstandard aufgaben. Einer der Gründe
war das (in Kapitel 10 noch näher erläuterte) Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten |42| Staaten. Es hatte dazu geführt, dass Gläubigernationen in Westeuropa und Japan Dollarreserven anhäuften, und war im Laufe
des Vietnamkriegs vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten. Die Gläubiger mussten erkennen, dass es nicht genug Gold gab,
um die im Umlauf befindlichen US-Dollar zu decken. Damit war Bretton Woods am Ende, der Dollar wurde abgewertet, und die Welt
ging zu flexiblen Wechselkursen über.
Diese Entwicklung befreite die Währungshüter von den Beschränkungen, die ihnen die festen Wechselkurse auferlegt hatten, und
ermöglichte es ihnen, ganz nach
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