Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
sich über verschiedene Kanäle
aus und betraf auch ansonsten gesunde Bereiche in den Volkswirtschaften anderer Länder. Doch das Bild der Epidemie, das so
häufig in populären Darstellungen bemüht wird, greift zu kurz. Die Krise war eben keine Krankheit, die von der Supermacht
auf an sich gesunde Volkswirtschaften übergriff. Andere Nationen hatten mit ihrer Wirtschaftspolitik eigene Spekulationsblasen
gefördert und waren bereits angeschlagen, als sie von der Krise getroffen wurden. Was zunächst wie ein spezifisch amerikanisches
Problem |162| aussah, war in Wirklichkeit sehr viel weiter verbreitet, als man sich das seinerzeit eingestehen wollte.
Die Entwicklung überraschte viele Beobachter. Sie hatten die Krise in den Vereinigten Staaten zunächst nur am Rande wahrgenommen
und klammerten sich an die These von der Entkoppelung, bis diese durch die Entwicklungen widerlegt wurde. Ende 2008 befanden
sich die meisten wohlhabenden Industrienationen der Welt in der Rezession, genau wie zahlreiche Schwellenländer in Asien,
Osteuropa und Lateinamerika. Viele dieser Länder erlebten vergleichbare Börsencrashs, Bankenkrisen und andere dramatische
Entwicklungen, wie sie zunächst in den Vereinigten Staaten aufgetreten waren. Was als Krise eines Landes begonnen hatte, hatte
sich zu einer globalen Krise ausgewachsen. Wie immer war dies weder neu noch ungewöhnlich. Die Krise folgte vielmehr dem ausgetretenen
Pfad ihrer Vorgänger.
Die Finanzierung einer Epidemie
Gesunde Volkswirtschaften werden selten von einer Krise erfasst. In der Regel wird der Zusammenbruch durch bereits bestehende
Schwächen und Probleme ermöglicht. Es musste jedoch einen Überträger geben, über den sich die anderen Wirtschaften den sprichwörtlichen
Schnupfen von den Vereinigten Staaten einfingen. 2 Der offensichtlichste waren die Beziehungen und Einrichtungen des weltweiten Finanzsystems.
Geldmärkte sind eine solche Einrichtung. Es sind Orte, an denen Banken und andere Finanzunternehmen auf kurzfristiger Basis
Geld leihen und verleihen. Diese Schulden- und Kreditnetzwerke waren in Zeiten der Panik schon immer besonders anfällig und
verbreiteten Probleme leicht von einem Teil der Weltwirtschaft auf einen anderen. Der Grund ist einfach: Wenn ein Glied dieser
hochkomplexen Kette ausfällt, beziehungsweise ein Schuldner die Rückzahlung seiner Kredite einstellt, kann den Gläubigern
plötzlich |163| das Geld ausgehen, mit dem sie wiederum die Kredite anderer Unternehmen zurückzahlen. Auf diese Weise kann eine Pleite den
gesamten Geldmarkt beeinträchtigen.
Aus diesem Grund gingen Finanzkrisen oft Hand in Hand mit Problemen auf dem Geldmarkt. Nehmen wir die Panik des Jahres 1837,
als sich die Bank von England weigerte, die Kredite der drei größten Banken der Insel umzuschulden, gingen diese in der Folge
Bankrott. Die Auswirkungen waren verheerend: Die Banken hatten Kredite mit kurzen Laufzeiten an Händler in aller Welt vergeben,
und mit ihrem Bankrott waren Geldmarktpapiere im Wert von zig Millionen Pfund mit einem Mal wertlos. Finanziers in Liverpool,
Glasgow, New York, New Orleans, Montreal, Hamburg, Antwerpen, Paris, Buenos Aires, Mexiko-Stadt, Kalkutta und anderswo ging
plötzlich der Kredit aus. Die Londoner
Times
klagte: »Es wird lange dauern, vielleicht Jahre, bis sämtliche Folgen dieser Bankrotte bekannt werden, denn sie erfassen mehr
oder minder die gesamte Welt.« 3
Diese Aussage trifft auf jede der nachfolgenden Krisen zu, die im 19. und 20. Jahrhundert die internationalen Finanzmärkte
trafen. Die schlimmsten folgten in der Regel auf den unerwarteten Bankrott eines angesehenen Finanzunternehmens, das auf dem
globalen Geldmarkt eine Schlüsselrolle eingenommen hatte. 4 Im Jahr 1873 löste beispielsweise die Pleite von Jay Cookes gewaltiger Investmentbank eine weltweite Krise aus. Am Beginn
der Weltwirtschaftskrise stand der plötzliche Zusammenbruch der größten österreichischen Bank, der Creditanstalt: Viele der
mächtigsten und wichtigsten Banken der Welt hatten ihr Geld geliehen, und ihr Bankrott zog zahlreiche andere in aller Welt
nach sich.
In den folgenden Jahrzehnten wurden Finanzmärkte immer stärker integriert, und die gegenseitige Abhängigkeit nahm zu. In der
jüngsten Krise war es nahezu unmöglich, das komplexe internationale Geflecht des Leihens und Verleihens zu durchschauen, geschweige
denn zu entwirren. Kaum jemand verstand, wie sich
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