Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
lateinamerikanische Staaten strömten, die sich kurz
zuvor von der spanischen Herrschaft befreit hatten. 24 In den ersten Jahren der Unabhängigkeit flossen 150 Millionen Pfund in die Region, und die Spekulanten stürzten sich vor
allem auf den Gold- und Silberbergbau in der Region. Dank der neuen Investitionen erlebten diese Länder eine wirtschaftliche
Blüte – genau wie die Spekulanten, als die Aktien der Bergbaugesellschaften und die Staatsanleihen dieser Nationen in die
Höhe schossen. Leider scheiterten viele der Vorhaben oder erwiesen sich als Betrug, weshalb schließlich der Markt zusammenbrach.
Investoren warfen ihre Aktien auf den Markt und zogen ihre Investitionen aus Ländern wie Peru, Kolumbien und Chile zurück.
Die lateinamerikanischen Staaten waren nicht in der Lage, ihre Schulden zu bezahlen. Im Jahr 1826 war Peru bankrott, andere
Länder folgten. An der Londoner Börse brach Panik aus. 25
Das Schwellenland, das im 19. Jahrhundert am stärksten von Krisen gebeutelt wurde, waren die Vereinigten Staaten. Investoren
aus Europa, vor allem aus Großbritannien, butterten riesige Mengen Kapital in das Land und horteten Staatsanleihen, Kanalpapiere,
Eisenbahnaktien und eine ganze Reihe anderer Anlagen. Dieser Geldstrom finanzierte Phasen des Aufschwungs und Spekulationsblasen
in Europa. Die meisten Blasen platzten schließlich, was dazu führte, dass sich die ausländischen Investoren panisch ihrer
»riskanten« amerikanischen Anleihen entledigten.
Das Ergebnis war jedes Mal absehbar: Auf beiden Seiten des Atlantiks schlug der Boom in eine Krise um. Viele amerikanische
Banken und Unternehmen, die direkt oder indirekt von dem Überfluss an ausländischem Kapital profitiert hatten, brachen zusammen,
genau wie ihre europäischen Pendants. Infolge der Panik von 1837 flohen Investoren in Scharen aus dem Land. Hunderte amerikanische
Banken schlossen ihre Tore, ein Viertel der Bundesstaaten |180| stellte die Rückzahlung ihrer Anleihen teilweise ein, und an der Londoner Börse brach Panik aus. 26 Eine ähnliche Flucht setzte 1857 ein. 27 Danach behauptete ein Beobachter mit gewisser Übertreibung, dass das »von fast allen Ausländern empfundene Misstrauen in
Bezug auf die Zukunft der Vereinigten Staaten so groß war, dass der größere Teil amerikanischer Wertpapiere … die im Ausland
gehalten wurden, quasi um jeden Preis auf den Markt geworfen wurde.« Und die Geschichte wiederholte sich gleich 1873, als
das abrupte Ende des Eisenbahnbooms die europäischen Investoren erneut in die Flucht schlug.
Anderen Schwellenländern des erging es nicht anders. In den 1990er Jahren wurde beispielsweise eine ganze Generation von neuen
Märkten in aller Welt von Krisen erschüttert: Mexiko 1994, Südkorea, Thailand, Indonesien und Malaysia 1997, Russland, Brasilien,
Ecuador, Pakistan und die Ukraine 1998 und 1999 und die Türkei und Argentinien 2001. Nachdem ausländische Investoren diese
Länder erst mit ihrem Kapital überschwemmt hatten, bekamen sie es irgendwann mit der Angst zu tun, flüchteten scharenweise
und verursachten Währungskrisen, Pleitewellen und Staatsbankrotte. Nur das rechtzeitige Einschreiten des Internationalen Währungsfonds
und der verschiedenen Notenbanken verhinderte ein weltweites wirtschaftliches Desaster. 28
Probleme der Schwellenländer spielten auch in der gegenwärtigen Krise eine Rolle, jedoch weniger ausgeprägt und in anderer
Form als in der Vergangenheit. Betroffen waren unter anderem die Volkswirtschaften des »neuen Europas«, die rund 20 Nationen
des früheren Sowjetblocks. Wie ihre Vorgänger hatten sie vor allem eines gemeinsam: große Leistungsbilanzdefizite. In einigen
Fällen wurden diese Defizite durch einen Immobilienboom und gewaltige Zuwächse des privaten Konsums sowie einen Rückgang der
Sparquote verursacht, in anderen durch die Verschuldung des Staates und der Unternehmen. Was auch immer der Grund für die
Defizite war, diese Länder liehen sich in großem Umfang Geld von Investoren und Banken der entwickelten Welt. Die Summen waren |181| gewaltig: Zwischen 2002 und 2006 stieg die Neuverschuldung jährlich um 60 Prozent. Hinzu kam, dass diese Schulden in Fremdwährungen
ausgestellt waren; dies erwies sich als fatal, als die jeweiligen Landeswährungen im Laufe der Krise an Wert verloren.
Die Krise traf auch Rumänien, Bulgarien, Kroatien und Russland, doch die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen
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