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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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sowie Ungarn und die Ukraine wurden besonders gebeutelt. In diesen Ländern kehrte sich der Kapitalfluss mit einem Schlag um,
     als nervöse Investoren aus den »riskanten« Märkten – also den Schwellenländern – flohen und sich in vermeintlich sicherere
     Häfen flüchteten. Das Resultat war vorhersehbar und brutal. Ungarn, Island, Weißrussland, die Ukraine und Lettland traten
     Hand in Hand vor den Internationalen Währungsfonds und baten um finanzielle Hilfe. In den drei Ländern des Baltikums taumelte
     der Bankensektor. Die baltischen Staaten traf es am härtesten. Ihre Arbeitslosenzahlen bewegten sich im Frühjahr 2009 im zweistelligen
     Bereich. In Lettland kam es zu Unruhen, die Regierung trat zurück, und das Land verlor seine Kreditwürdigkeit.
    Dies entspricht dem klassischen Muster von Schwellenländern, die mit dem Zustrom von ausländischem Kapital einen Aufschwung
     erleben und zusammenbrechen, wenn die Investoren ihr Geld abziehen. Auf eine andere Gruppe von Schwellenländern, die ebenfalls
     von der Krise in Mitleidenschaft gezogen wurden, trifft dieses Muster jedoch nicht zu. Anders als viele Schwellenländer in
     der Vergangenheit oder in Osteuropa verzeichneten diese Länder einen Leistungsbilanzüberschuss. Neben China gehörten auch
     Brasilien und einige kleinere Länder im Nahen Osten, in Asien und Lateinamerika zu dieser Gruppe.
    Länder mit einem Leistungsbilanzüberschuss verzeichnen in der Regel steigende Währungskurse. Dies war in den Jahren vor der
     Krise jedoch nicht der Fall. Die Regierungen dieser Länder intervenierten aggressiv auf dem internationalen Markt, um ihre
     Währungen niedrig zu halten und mit ihren Exporten auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können. Damit wuchsen jedoch die |182| Reserven in Dollar und anderen ausländischen Währungen im Inland und vergrößerten das Geldangebot.
    Die negativen Folgen blieben nicht aus. Der Überfluss an billigem Geld kurbelte die Inflation an und förderte die Entstehung
     von Spekulationsblasen vor allem auf dem heimischen Aktienmarkt. Auf dem Höhepunkt Ende 2007 lagen die Aktienpreise in China
     und Indien 40- oder 50-mal über dem Ausgabepreis, und die Papiere waren damit weit überbewertet. Viele dieser Volkswirtschaften
     waren schon vor der amerikanischen Finanzkrise überhitzt und damit ausgesprochen anfällig für plötzliche Schocks. Diese Schwächen
     und der nachfolgende Absturz hingen nur zum Teil mit den Vereinigten Staaten zusammen; sie waren vielmehr eine Folge der eigenen
     Politik. Diese Länder wurden zwar Opfer der weltweiten Krise, doch für ihre Probleme waren sie zu einem Gutteil selbst verantwortlich.
     
     
    Das Ende der Entkopplung
     
    Als die Krise Anfang 2008 an Fahrt gewann, handelten die Politiker außerhalb der Vereinigten Staaten unentschlossen, obwohl
     alles darauf hinwies, dass eine globale Epidemie bevorstand. Dennoch klammerten sich viele an die Vorstellung von der Entkopplung
     und machten sich Sorgen, ihre Volkswirtschaften könnten sich überhitzen und in eine Inflationsspirale geraten. Da hoben viele
     Notenbanken in den Schwellenländern die Zinsen an, um die Zügel der Geldpolitik anzuziehen. Die Notenbanken der Industrienationen
     folgten, darunter die Europäische Zentralbank, die Mitte 2008 eine unglückliche Erhöhung der Leitzinsen forcierte.
    Schlimmer noch, die europäischen Politiker weigerten sich, aggressive Konjunkturprogramme aufzulegen. Diejenigen europäischen
     Nationen, die sich ein solches Investitionsprogramm am ehesten hätten leisten können – allen voran Deutschland –, taten |183| zunächst wenig, und denjenigen Ländern, die es am nötigsten hatten – Spanien, Portugal, Italien und Griechenland –, fehlte
     das Geld. Die Länder des sogenannten »Club Med« hatten aufgrund ihrer hohen Haushaltsdefizite und ihres größeren Verschuldungsgrades
     kaum Handlungsspielräume.
    Aufgrund dieser politischen Fehlentscheidungen waren die Industrienationen und Schwellenländer nur sehr unzureichend auf die
     Krise vorbereitet. Die Politiker wurden auf dem falschen Fuß erwischt, und es ist zum Teil ihren Fehleinschätzungen zu verdanken,
     dass die Weltwirtschaft in die schlimmste Rezession seit den dreißiger Jahren stürzte. Im vierten Quartal des Jahres 2008
     und im ersten Quartal des Jahres 2009 schrumpfte die Weltwirtschaft in einem Umfang und auf einer Breite, wie es nur mit den
     Anfangsjahren der Weltwirtschaftskrise, 1929 bis 1931, vergleichbar ist.

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