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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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der aufgeblähte Bauch macht ihm zu schaffen.
    FOLCO: Heute arbeiten wir nicht. Vielleicht können wir den Faden ja später wieder aufnehmen, gegen vier oder fünf. Oder wir plaudern einfach mal ganz geruhsam über das Leben, ohne irgendein spezielles Thema.
    TIZIANO: Hmm, ganz geruhsam.
    ANGELA: Die Alternative wäre …
    TIZIANO: Eine Alternative gibt es nicht. Die Alternative ist Schweigen.
    Wir lachen.
    FOLCO: Du hast bestimmt gemerkt, dass keine Anrufe mehr kommen.
    TIZIANO: Ja, herrlich, diese Stille.
    FOLCO: Ich gehe ran, aber an mir kommt keiner vorbei. „Nein, Tiziano ist nicht zu sprechen. Er hat sich ganz in sich zurückgezogen … Nein, wie lange weiß ich nicht, vielleicht ein paar Monate, vielleicht auch länger … Er spricht mit niemandem. Nein, es ist sinnlos, mir die Nummer zu geben, er wird Sie nicht zurückrufen.“
    Wir lachen. Papa isst noch eine Kartoffel, die, wie er findet, scheußlich schmeckt.
    TIZIANO: Erzähl mir was. Erzählt mir irgendwelche Geschichten, unterhaltet mich. Ich hab euch schließlich oft genug unterhalten!
    Mama lacht.
    FOLCO: Papa, magst du nicht mehr?
    TIZIANO: Nein. Diese Kälte im Rücken... Und du hast nicht mal ein Unterhemd an, was? Ah, er ist ein Asket, ein Sadhu!
    ANGELA: Wir sind viel wärmer angezogen als du, Folco.
    TIZIANO: Wir sind ja auch keine Sadhus! Wir sind stinknormale Idioten.
    FOLCO: Sadhu no cold!
    Wir lachen.
    Das hat mein Freund Kalu Baba immer gesagt, wenn er barfuß durch den Schnee lief. Von dem müsste man lernen, wie das geht. Sadhu no cold ist eine ihrer Regeln. Der Sadhu darf nie frieren, denn Frieren ist im Grunde nur eine Illusion. TIZIANO: Auch Lungenentzündung ist nur eine Illusion. FOLCO: Nein, ehrlich, die laufen nur mit einer leichten Decke bekleidet durch die Berge.
    ANGELA: Auch unsere Mönche waren nicht besonders warm angezogen. Die Priester hingegen trugen dicke Wintermäntel.
    TIZIANO: Hmm. Diese Schauer im Rücken, meine Güte!
    ANGELA: Richtige Schauer?
    TIZIANO: Ein guter Film wäre jetzt genau das Richtige.
    ANGELA: Tiziano, iss das Apfelkompott. Es ist noch warm.
    TIZIANO: Haben wir einen guten Film da?
    FOLCO: La Reine Margot ist gut!
    TIZIANO: Wer war denn Königin Margot? Gibt’s da Tote?
    FOLCO: Ja, jede Menge.
    TIZIANO: Ah, dann ist das genau das Richtige!
    FOLCO: Der Film spielt im sechzehnten Jahrhundert und handelt von der Bartholomäusnacht, dem schlimmsten Massaker Frankreichs. Ist also richtig gut!
    Mama reibt sich ironisch die Hände.
    ANGELA: Mmm!
    TIZIANO: Für dich ist das nichts, Angelina. Du wirst ihn nicht verstehen, du verstehst nie, wer der Mörder ist.
    FOLCO: Die Mörder sind die Katholiken und die Protestanten.
    TIZIANO: Na klar.
    FOLCO: Der Film ist gut, den kann man sich angucken. Der hat sogar ein paar Preise gewonnen.
    TIZIANO: Auauau …
    Tut so, als würde er mit jemandem sprechen, der draußen wartet.
    Mama, ich komme! Noch ein bisschen Geduld, ja? Ist Großvater auch da?
    FOLCO: Im Jenseits? Wie praktisch, dann könntet ihr die Familiengeschichte noch mal überprüfen.
    Papa grinst.
    TIZIANO: Wo ist Großvater bloß hin, verdammt noch mal?
    FOLCO: Ich hätte auch noch ein paar Fragen an ihn, bei der Verwandtschaft komme ich manchmal ganz schön durcheinander. Gemeinsam könnte man das alles in Ruhe durchgehen.
    ANGELA: Wie?
    FOLCO: Man geht einfach zu jedem hin und fragt: „Wer war dein Vater?“, und immer so weiter - bis zum Affen.
    TIZIANO: Auauau …
    ANGELA: Wo tut es denn weh, Tiziano?
    TIZIANO: Und mein Vater? Ob der auch da ist?
    Was wollt ihr eigentlich mit meinem Körper machen?
    Ich kaue meinen Bissen zu Ende.
    FOLCO: Im Garten verbrennen.
    TIZIANO: Das wäre großartig, aber das wird nicht gehen. Man würde dich sofort verhaften.
    FOLCO: Wir machen ein ordentliches Feuer …
    TIZIANO: Herrlich, am Fluss!
    ANGELA: Meine Güte!
    FOLCO: … und du setzt dich auf einen Ast und siehst zu.
    TIZIANO: Hmm. Nein, ganz im Ernst, was wollt ihr machen? Eine Feier?
    FOLCO: Was möchtest du denn? Das zumindest kannst du doch selbst entscheiden, oder?
    TIZIANO: Nein, das ist eure Sache.
    FOLCO: Nein, das ist noch deine. Dein Körper gehört dir.
    TIZIANO: Nein, nein, nein, die Trauerfeier dient der „Schmerzbewältigung“.
    Wir lachen.
    ANGELA: Jetzt macht aber mal Schluss!
    TIZIANO: Ja, das sagen die Bodysnatchers auch immer.
    Er lacht. Mama bietet ihm noch eine Kartoffel an.
    Nein, das reicht. Da geht nichts mehr rein.
    FOLCO: Mir ist gerade die merkwürdigste Beerdigung meines Lebens

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