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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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Mathematik, die brachten sie einem sehr gut bei. Und dann herrschte eine Disziplin, wie es sie in den Schulen, die wir kannten, schon lange nicht mehr gab: Zum Antworten stand man auf, beim Sitzen verschränkte man die Hände hinter dem Rücken, und dann wurde immerzu marschiert. Solche militärischen Verhaltensweisen missfallen Kindern ja keineswegs, sie machten uns sogar Spaß! Außerdem wurde alles Mögliche organisiert: Es gab Wettbewerbe im Singen oder im Drachensteigen, und man wurde zu guten Taten angehalten, zum Beispiel einer alten Frau über die Straße zu helfen, wie unser Vorbild, der Soldat Lei Feng. So etwas gibt Kindern ein Gefühl von Zugehörigkeit und gesellschaftlicher Verantwortung.
    TIZIANO: Eine schöne Figur, dieser Lei Feng! Selbst wenn er erfunden sein sollte - ist es für ein Kind nicht besser, den Soldaten Lei Feng nachzuahmen, als davon zu träumen, Fußballstar zu werden, zweihundert Tore zu schießen und 400 Millionen Euro dafür einzukassieren? Dies war wirklich eine vollkommen andere Welt, und ich war froh, sie euch zu zeigen.
    Immer wieder wurde ich gebeten: „Schreib doch mal darüber, wie deine Kinder China erleben!“Aber ich sah gar nicht ein, warum ich das tun sollte. Es war doch viel besser, ihr schriebt selbst! Was dabei herauskam, war unglaublich interessant, denn ihr habt eure Eindrücke auf eure eigene Weise beschrieben, jeder in seiner eigenen Sprache, und die beiden Aufsätze waren so spontan und echt, dass der SPIEGEL sich entschloss, sie zu veröffentlichen. Nichts wirkt mehr als die Sprache der Wahrheit.
    Außerdem verdanke ich euch meinen ersten Scoop! Eines Tages kamt ihr aus der Schule und erzähltet: „Papa, aus allen Klassen sind die Porträts von Hua Guofeng verschwunden.“Hoppla, dachte ich, das ist ein ganz wichtiges Signal. Ich begriff, dass der Vorsitzende des Zentralkomitees der kommunistischen Partei, den ich vormals interviewt hatte, abgesetzt worden war.
    Plötzlich atmet Papa ein paar Mal tief durch.
    FOLCO: Musst du aufstoßen?
    TIZIANO: Ja, wie der kleine Nicolò!
    Euch auf die chinesische Schule zu schicken, hieß, euch mit China zu konfrontieren. Ihr würdet Chinesisch sprechen und chinesische Kinder kennen lernen. Diese Entscheidung war ein Teil unserer ganzen Einstellung: Wir reisten mit der Eisenbahn oder mit dem Fahrrad, und wir unterhielten uns unterwegs mit den Leuten. Das taten nur die wenigsten Ausländer, die meisten fuhren Auto.
    Versteht ihr, was ich meine? Ich war überzeugt - und auch alle späteren Einsichten über den Maoismus und den Kommunismus haben daran nichts geändert -, dass China eine ganz große Kultur war, eine der wenigen wirklich bedeutenden Kulturen der Menschheit. Gut, es hatte Babylon gegeben, Ägypten … aber eben auch China!
    Als wir dann begannen, durch China zu reisen, indem wir unsere Fahrräder in den Zug luden, um auch kleine, versteckte Orte erreichen zu können, war es von großem Vorteil, dass ihr euch mit den Leuten unterhalten und vergnügen konntet, das müsst ihr zugeben!
    SASKIA: Ja, wir waren sehr stolz, akzentfrei zu sprechen, das weiß ich noch.
    TIZIANO: Ihr habt gelernt, in dem Land zu leben, nicht? Statt im Extrawaggon für Ausländer saßen wir im schmuddligen Speisewagen und aßen baozi , die chinesischen Graubrotfladen, wie alle anderen Leute auch . Das war doch schön, oder? Das war Leben!
    Wir fanden damals, es reiche, wenn ihr euch später beim Studium eine solide Bildung zulegtet; solange wir in China waren, war es in unseren Augen wichtiger, dass wir alle zusammen zehn Tage lang mit dem Fahrrad durchs Land radelten, als dass ihr in der Schule Mathematik pauktet. Das konntet ihr immer noch tun, wenn es regnete!
    Saskia und ich lachen.
    FOLCO: In Amerika war ich einmal zu Besuch bei einem Physiker, der den Nobelpreis bekommen hatte, und als ich ihn fragte: „Wie hast du es eigentlich geschafft, so viel besser zu werden als alle anderen? Hast du an der Uni mehr gelernt?“, antwortete er: „Nein. Während die anderen immer nur paukten, ging ich am Wochenende bergsteigen oder tauchen. Dabei habe ich das gelernt, was mich von den anderen unterscheidet.“
    TIZIANO: Toll!
    FOLCO: Leider habe ich ihn erst kennengelernt, als ich mit der Uni schon fertig war, sonst wäre ich seinem Rat gefolgt!
    TIZIANO: Ja, das ist genau der Punkt. Auch ich habe das gespürt. Was man ist, wird man nicht nur durch seine Geburt, sondern auch durch das Leben, das man führt. Wisst ihr noch, als wir mit dem Fahrrad

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