Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens
Besonderes.
Ich fragte ihn: „Würden Sie mir den verkaufen?“
Und er: „Na ja …“
Am Ende einigten wir uns auf hundert Dollar. Wahnsinn! Ich gab ihm das Geld und wir rollten den Teppich zusammen. Als es richtig dunkel war, öffnete er mir das Tor des Potala und ich ging mit meinem Teppich unterm Arm die große Treppe hinunter.
Er lacht.
Und da muss mich jemand gesehen haben, irgendein Spitzel, wie sich bei den Verhören vor meiner Ausweisung herausstellte.
Als ich mit dem Teppich ins Hotel kam - den ganzen Weg zu Fuß! - war ich überglücklich. War das nicht eine tolle Geschichte? Und der Teppich war das Symbol dafür. Ich fühlte mich aber nicht als sein Eigentümer, eher als sein Hüter. Das habe ich dem Dalai Lama später auch gesagt. „Wenn Ihr nach Tibet zurückkehrt, gebe ich Euch den Teppich Eures Wächters zurück.“
Er lachte. Er hat natürlich Tausende solcher Teppiche.
Diese Geschichte verdeutlicht meine Haltung dort in China ganz gut. Ich habe den armen Chinesen wirklich eine Menge Kopfzerbrechen bereitet!
SCHULE IN CHINA
Heute ist es herrlich sonnig und wir sitzen wieder im Garten. Saskia ist uns für ein paar Tage besuchen gekommen und sitzt mit dem kleinen Nicolò im Arm in einem Liegestuhl.
FOLCO: Jetzt, wo Saskia dabei ist, könnten wir doch über die chinesische Schule reden.
TIZIANO: Gute Idee. Da fragt ihr sicher gleich: Warum um alles in der Welt hast du uns eigentlich auf die chinesische Schule geschickt? In Hongkong waren wir auf einer herrlichen internationalen Schule gewesen - und plötzlich steckst du uns in diese triste kommunistische Anstalt?
Die Entscheidung war vor allem ideologisch bedingt und hatte einen ganz einfachen Grund. Als wir nach China gingen, war Mao gerade gestorben und das Land gegen Ausländer noch weitgehend abgeschottet. Die Ausländer lebten auf einer Art Insel - alles war auf Hochglanz poliert und perfekt organisiert. Man wohnte in Wohnkomplexen, die für Ausländer reserviert und von Mauern und Stacheldraht umgeben waren, mit bewaffnetem Wachpersonal am Eingang. Wer essen gehen wollte, ging in den International Club, wer reisen wollte, stieg in die Abteile für Ausländer mit den weichen Sitzen. Am Ende blieb man meistens unter sich, die Italiener aßen ihre Spaghetti und die Engländer ihr Roastbeef.
Hätten wir uns so verhalten wie die anderen wohlhabenden Ausländer aus der Ersten Welt, jedenfalls die allermeisten, hätten wir in China leben können, ohne China je kennen zu lernen. Wir hätten euch auf die französische oder amerikanische Schule geschickt, und ihr hättet mit dem Sohn des Botschafters von Timbuktu und der Tochter des Generalsekretärs der Deutschen Botschaft gespielt, wärt zu ihren Kindergeburtstagen gegangen und hättet China nie zu Gesicht bekommen. China wäre für euch „draußen“gewesen und die Chinesen arme Teufel, die alle die gleichen Klamotten trugen.
Wir aber waren … Wo ist eigentlich mein Kissen? Ach da, danke.
Papa hat heute Probleme mit seinem Magen.
Wir aber waren mit einer ganz anderen Absicht nach China gekommen. Wir wollten dort nicht zwei oder drei Jahre luxuriös unter Ausländern leben, als handelte es sich um eine Karrierestufe, die dazu diente, sich Washington oder Paris „zu verdienen“. Für uns war China etwas ganz anderes. Wir wollten uns auf das Land einlassen, wir wollten es kennenlernen. Wie du weißt, faszinierte mich damals das maoistische Experiment und ich hätte es nie verwunden, vom Leben der Chinesen ausgeschlossen zu sein. Dass Mama und ich beide Chinesisch konnten, war uns dabei eine große Hilfe. Hätten wir euch auf die internationale Schule geschickt, hättet ihr von China möglicherweise gar nichts mitbekommen.
FOLCO: So hingegen haben wir gelernt zu marschieren, die Fahne zu grüßen und chinesische Handgranaten zu werfen. TIZIANO: Ja, das war waschechter Kommunismus! Alle in Reih und Glied! Ihr habt gelernt, wie man marschiert und Klosetts saubermacht, und den Horror des Kommunismus entdeckt. Nun seid ihr gegen den Kommunismus geimpft. Donnerwetter, ihr habt begriffen, was China ist! Es ist ja kein Zufall, dass ich euch beiden die italienische Ausgabe meines Buchs Fremder unter Chinesen gewidmet habe: „Für Folco und Saskia, denen ich meine Liebe zu China aufgezwungen habe“. Ja, ich habe euch zu China regelrecht gezwungen, allerdings in der festen Überzeugung, euch etwas Gutes damit zu tun, nämlich euch die Gelegenheit zu geben, eine ganz neue, fantastische
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