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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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Pfeife an den Schwanz zu binden - die natürlich federleicht sein muss, damit die Taube noch fliegen kann -, sodass beim Fliegen ein Ton erzeugt wird. Es gibt verschiedene Pfeifen, die man sich als eine Art Flöten mit verschiedenen Löchern und Tönen vorstellen muss, und die befestigt man an den Schwänzen mehrerer Tauben. Wenn die dann zugleich los fliegen, kann man die Musik der Sphären hören: wuuuu!
    Unser Koch Xiao Wei, ein großer Taubenliebhaber, stand mir bei dieser neuen Beschäftigung zur Seite. Denk nur, was für eine große Kultur. Man kann doch gar nicht anders, als die Chinesen für diese einmaligen Dinge zu bewundern! Doch Mao hasste sie dafür, das waren Spielereien für Reiche, für Städter, das war nichts für Bauern. Die hatten nicht viel zu pfeifen, die pfiffen vor Freude, wenn sie etwas zu essen hatten.
    Mich allerdings überwältigte die Schönheit dieser Dinge. Ich konnte ihr nicht widerstehen. Und wenn ich hörte, ein Alter in einem Dorf außerhalb von Peking habe wieder begonnen, Pfeifen herzustellen, sprang ich sonntags sofort ins Auto und fuhr hin, um zu sehen, was für Pfeifen das waren. Lange Zeit waren diese Beschäftigungen verboten gewesen, doch nun begann sich die allgemeine Lage zu ändern und die Grillen, Tauben und Pfeifen kehrten zurück.
    Ich war schon ein seltsamer Journalist, was? Während meine Kollegen sonntags zum Empfang des Botschafters gingen und sich mit dem Parteivorsitzenden unterhielten, besuchte ich einen kleinen Markt nach dem anderen. Doch am Ende habe ich China, glaube ich, besser begriffen als sie, denn ich habe es gespürt, gelebt. Deswegen war meine Ausweisung auch so ein schwerer Schlag für mich, wie du dir vielleicht vorstellen kannst. Die Chinesen haben mich einer ganz tiefen Freude beraubt. Erst Indien hat mich später dafür entschädigt.
    FOLCO: Ein schöner Gedanke. Du hast zwar eine Menge Artikel über dies und jenes geschrieben, aber was für dich wirklich zählte …
    TIZIANO: Genau!
    FOLCO: Und während Deng Xiaoping Chinas Wirtschaft neu ausrichtete …
    TIZIANO: … schrieb ich über Grillen.

AUSWEISUNG

    TIZIANO: Im Grunde habe ich die Ausweisung kommen sehen. Mir geschahen seltsame Dinge, und da ich diese Welt nun einigermaßen kannte, witterte ich, dass irgendetwas im Busche war. Eines Abends ging ich gute chinesische Freunde besuchen, ein Schauspielerehepaar. Ich kam in ihre Einzimmerwohnung, wo wir immer gemeinsam gegessen hatten und wo auch das Bett stand, doch diesmal war sie allein und fiel regelrecht über mich her. Ich kam mir vor wie beim KGB, wo man nackt im Bett mit der Gattin des Offiziers fotografiert wird. Ich machte mich Hals über Kopf davon!
    Seitdem war ich auf der Hut. Ich fühlte mich beschattet, es gab merkwürdige Vorfälle, und mir wurde klar, dass irgendjemand gegen mich intrigierte. Das alarmierte mich dermaßen, dass ich euch drei bereits ein Jahr vor meiner Ausweisung nach Hongkong zurückschickte. Wir packten unseren ganzen Hausrat zusammen, in Peking blieben nur mein Büro und meine Chinabücher zurück, und ihr kehrtet in die englische Kolonie zurück. Damals starb mein Vater. Die Zeit verging, und alle zwei, drei Monate kam ich euch besuchen.
    FOLCO: Bis du eines Tages, das weiß ich noch genau, in Hongkong ins Flugzeug nach Peking stiegst - und spurlos verschwandest. Du riefst nicht wie üblich an, um Bescheid zu sagen, dass du gut angekommen warst. Mama probierte es immer wieder, aber du gingst nicht ans Telefon. Auch von deinen Freunden hatte dich keiner gesehen oder wusste, wo du abgeblieben warst. Und doch bestätigte die Fluggesellschaft, dass du in die Maschine gestiegen und auch in Peking angekommen warst.
    Wo stecktest du nur?
    Mehrere Tage vergingen. Mama machte sich furchtbare Sorgen, auch wenn sie die Sache uns gegenüber herunterspielte, um uns nicht zu ängstigen. Aber ganz offensichtlich stimmte etwas nicht, denn sie hing von morgens bis abends am Telefon. Sie rief die italienische und die deutsche Botschaft in Peking an, sprach mit den Kommunisten und den Jesuiten in Hongkong, fragte Hinz und Kunz, um herauszufinden, was da vor sich ging. Endlich stellte sich heraus, dass du gleich nach der Landung des Flugzeugs von der chinesischen Polizei verhaftet worden warst. Und es war alles andere als klar, ob sie vorhatten, dich wieder auf freien Fuß zu setzen. Am Ende hat sich der damalige Staatspräsident Pertini aus Rom eingeschaltet, nicht?
    Schließlich wurdest du ausgewiesen.
    Du kamst nach

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