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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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Hongkong, und Mama holte dich am Flughafen ab. Aber nach China konntest du nicht mehr zurück. Ein Drama!
    TIZIANO: Ja, für meine Arbeit war die Ausweisung dramatisch - als hätte man mir beim Essen den Teller weggezogen.
    Das Buch, das ich dann schrieb, Fremder unter Chinesen, ist wie ein Coitus interruptus, da fehlt die Hälfte. Ich hatte es viel breiter angelegt. Ich wollte ein Buch über große Reisen in die unbekannten Gegenden Chinas schreiben, in die Journalisten normalerweise nicht kommen. Ein paar dieser Reisen sind auch darin enthalten, etwa die nach Shandong oder in die Mandschurei, aber ich hatte noch in viele andere Provinzen fahren wollen, die ich dann nicht mehr gesehen habe.
    Meine größte Leistung und mein längster Artikel über China war eine Recherche über die Zerstörung Pekings durch die Kommunisten. Sie erschien im SPIEGEL in drei Folgen zu je zehn, zwölf Seiten.
    FOLCO: Waren solche ausführlichen Recherchen unüblich? TIZIANO: Weißt du, die meisten Journalisten arbeiteten für Tageszeitungen oder für Wochenzeitungen wie das Time Magazine , für die sie nicht mehr als 150 Zeilen schreiben durften. Ich hingegen schrieb einmal im Monat, da kannst du dich nicht auf die Tagesereignisse beschränken, da musst du etwas vorlegen, was darüber hinausgeht. Und so schrieb ich ellenlange Artikel, die dann über mehrere Wochen erschienen.
    In meiner ausführlichsten Serie hatte ich mich, wie gesagt, mit der Zerstörung Pekings befasst. Sie war nur mit der stillschweigenden, aber entscheidenden Hilfe meiner üblichen Reisegefährten, der alten Bücher, möglich gewesen. Diese Artikel brachten das Fass zum Überlaufen. Denn der Mann, der Peking zerstört hatte, ein gewisser Peng Zhen, war während der Kulturrevolution und auch danach Bürgermeister gewesen und dann zum Sicherheitsbeauftragten von ganz China aufgestiegen. Und als sich die Belege häuften, dass ich mit diesem und jenem verkehrte, dass ich reiste, wohin ich wollte, ohne die Zutrittsverbote für Ausländer zu beachten, und Artikel schrieb, in denen ich die Vernichtung der Vergangenheit durch die Kommunisten anprangerte, nahm er irgendwann meine Akte und sagte: „Raus mit dem!“
    Ich kann nicht mehr, Folco.
    FOLCO: Dann schlaf mal ein bisschen.
    Nach einer Weile kommt Mama, um nach uns zu sehen.
    FOLCO: Er ist eingeschlafen.
    Sie redet leise.
    ANGELA: Die Ausweisung war für Papa zweifellos ein schwerer Schlag. Von so etwas erholt man sich nicht so leicht. China war zu seiner zweiten Heimat geworden, eine andere hat er nicht mehr gefunden. Auch Vietnam war ihm wichtig gewesen, aber nicht so wie China. Doch inzwischen liegt das weit weg. Immer wieder merke ich, dass seine letzten Erfahrungen in Indien ihn so beschäftigt haben, dass China tatsächlich in weite Ferne gerückt ist.
    FOLCO: Aber du erinnerst dich noch gut daran?
    ANGELA: Ja. Ich bin danach ja auch nicht in eine vollkommen andere Kultur eingetaucht wie er. Er ist ein ganz anderer Mensch geworden.
    Wir bleiben an der Seite dieses alten Mannes sitzen, schweigen und hängen unseren Gedanken nach. Draußen krächzt ein Rabe. Nach einer guten Viertelstunde wacht Papa auf und ist wieder ganz frisch.
    TIZIANO: Die Ausweisung aus China war eine Tragödie für mich. Die Chinesen wissen genau, was für eine schwere Strafe das ist. Denn das Schlimmste überhaupt ist, von etwas getrennt zu werden, was du liebst.
    China fehlte mir schrecklich. Was hatte ich nicht alles in dieses Land investiert! Die Sprache, die Bekanntschaften, alles, was ich dort gelernt hatte. Die Ausweisung traf mich mitten ins Herz. Dieses China, das mir gehört hatte, das ich hautnah miterlebt hatte, wieder nur aus der Ferne betrachten zu können, war schrecklich traurig.
    Weißt du, Folco, die erste große Liebe vergisst man nicht. Auch Indien hat mir später unglaublich viel gegeben, Indien hat mir den Frieden geschenkt. Aber China, die Größe Chinas… FOLCO: Jetzt hören wir aber auf zu reden, du musst deine Stimme noch ein bisschen schonen. Du hast ja die Glocke. Wenn du etwas brauchst - ich bin oben.
    TIZIANO: Ich habe vieles geliebt. Aber vor allem China. China war meine große Liebe.

KARRIERE

    TIZIANO: Wieder einmal war der SPIEGEL unglaublich großzügig. Gleich nach meiner Ausweisung wurde ich in einem großen Hotel in Hamburg untergebracht, wo ich einen Artikel über die ganze Angelegenheit schrieb, der dann auch sofort erschien. Aber da eine Ausweisung für einen Journalisten eine ernste Sache ist,

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