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Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens

Titel: Das Ende ist mein Anfang - Ein Vater ein Sohn und die grosse Reise des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiziano Terzani
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Sonnenstrahlen begannen die Vögel herrlich zu zwitschern.
    Und schließlich entdeckte ich die Grillen.
    FOLCO: Ja! Wenn ich an China denke, fallen mir als Erstes immer die Grillen ein.
    TIZIANO: Eine wunderbare Sache! Denk nur, ein Volk, das seine Zeit damit verbringt - Mao hätte gesagt vergeudet, und nicht ganz zu Unrecht -, zu jeder Jahreszeit Grillen zu züchten, um auch im Winter, wenn es draußen schneit, der Stimme des Frühlings lauschen zu können! Die Grillen haben es dann warm, denn man trägt sie in der Innentasche der Jacke mit sich herum, in einem winzigen ausgehöhlten Kürbis mit einem wunderschönen Deckel aus geschnitztem Elfenbein oder manchmal sogar aus Jade. Und wenn du in der Kälte der Nacht ein Gedicht schreibst und in deinem kleinen si he yuan, deinem Haus mit Innenhof, Tee trinkst, hörst du das Krikriii, Krikriii der Grille. Auch das war ein Zeitvertreib der Mandschu gewesen.
    Ich hatte immer eine in der Tasche und hielt zu Hause die verschiedensten Grillensorten, sogar einen jing -irgendwas, die kleinste Grille, die es gibt. Sie ist kaum zu sehen, aber sie kann herrlich zirpen. Sie war so klein, dass ich sie nicht einmal in einen solchen Kürbiskäfig setzen konnte, sonst wäre sie mir abhanden gekommen. Ich hatte sie in einer winzigen Elfenbeindose untergebracht. Manchmal musste man sie füttern, und dann wurde der Deckel wieder zugeschraubt.
    Was hatte man mit diesen Grillen nicht alles zu tun! Wir mussten zum Beispiel Würmer züchten, um die Grillen zu füttern, weißt du noch? Manchmal stank es zu Hause richtig.
    FOLCO: Eine Grille war jadefarben, das war die schönste. Oder war das eine Zikade?
    TIZIANO: Nein, nein, eine Grille!
    FOLCO: Und dann gab es noch die Kampfgrillen.
    TIZIANO: Faszinierend, nicht? Stimmt, irgendwann hatte mich die Leidenschaft für Kampfgrillen gepackt. Wie alle Asiaten lieben auch die Chinesen Wetten und Glückspiele, Hunderennen und Ähnliches. Und so erfanden sie schließlich den Grillenkampf. Man ging mit seiner Grille auf den Markt und ließ sie dort auf andere Grillen los.
    Was mir daran gefiel, waren allerdings nicht so sehr die Wettkämpfe selbst, bei denen eine am Ende immer tot gebissen wurde; was mich begeisterte, war vor allem das Zubehör. Zunächst einmal die kleine Arena aus Porzellan. In einer schwarzen Schachtel brachte man die Grille zum Markt, doch das Match selbst wurde in einer herrlichen blauen Kampfarena ausgetragen, in die viele Zuschauer hineinsehen konnten, weil sie so groß war wie ein Teller. Und dann die Käfige, in denen die Kampfgrillen normalerweise gehalten wurden! Schwarze Behälter mit einem kleinen, sorgfältig bemalten Porzellanhäuschen darin und einem Trog in Miniatur, an dem die Grille trinken konnte. Sie sahen aus wie winzige Puppenhäuser.
    Doch das Raffinierteste von allem war der Pinsel. Weißt du, woraus der gefertigt war? Aus drei oder vier Mäuseschnurrhaaren. Es mussten Mäuseschnurrhaare sein! Die steckten in einem eleganten Griff aus Elfenbein. Und wenn du der Grille diesen Pinsel in den Hintern stecktest, wurde sie wütend und griff ihr Gegenüber an.
    FOLCO: Ich kann mich noch an diese Kämpfe erinnern. Manchmal haben wir auch zu Hause welche abgehalten, obwohl wir immer ein schlechtes Gewissen dabei hatten.
    TIZIANO: Wir haben wirklich versucht, in China zu leben. Zwar waren wir in die Ausländer-Ghettos verbannt, wo uns die Wachleute an der Einfahrt bespitzelten und die furzende Aufzugfrau Buch darüber führte, wie oft wir hinauf- und hinunterfuhren - das war der unangenehme Aspekt -, aber wir lebten in China. Wir aßen chinesisch und trafen uns mit Chinesen. Uns interessierte das Leben, nicht nur die Politik.
    FOLCO: Es gab Märkte, auf die du uns mitnahmst, um Grillenzubehör zu kaufen. Das machte Spaß! Ich weiß noch, wie es einmal im Auto ganz dunkel wurde, weil sich die Leute, statt den Grillen zuzusehen, um unser Auto drängten und hineinstarrten, wo die beiden blonden Kinder mit dem Hund saßen. Alles hatte der Kommunismus abgeschafft, sogar die Hunde, deswegen waren die Leute so fasziniert von unserem. All diese Nasen, die an der Scheibe platt gedrückt wurden …
    Papa lacht.
    TIZIANO: Unser Freund Wang Shi Xiang führte mich dann in eine andere große Leidenschaft ein, die ich allerdings nicht lange ausleben konnte, weil ich kurz darauf ausgewiesen wurde: die Tauben. Wir besaßen eine richtige kleine Taubenzucht!
    Man muss sich diese Kultur mal vorstellen, die darauf gekommen war, Tauben eine

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