Das Ende meiner Sucht
Zeitraum von 7 Jahren.
Die Angst war nicht behandelbar mit Buspiron, selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, Valproat und Carbamazepin. Im Mai 2003 schlich ich in der Hoffnung auf vollständige Abstinenz die Kombination von Baclofen und selbst verschriebenem Topiramat nach einem vorgegebenen Plan (Johnson et al., 2003) aus. Trotz Nebenwirkungen (Gedächtnis, Sprache) blieb ich danach über 3 Monate bei 300 mg/Tag Topiramat. Topiramat hatte keine angstlösende Wirkung, und ich erlitt einen schweren Rückfall.
Am 9. Januar 2004, Tag 1 meiner Abstinenz nach dem Rückfall, begann ich mit der oralen Baclofen-Monotherapie: 10 mg dreimal täglich (30 mg/Tag), jeden dritten Tag 20 mg/Tag mehr; optional 20–40 mg/Tag einmalig nach Bedarf bei Craving oder erheblichem akutem Stress oder Angst. Da Craving nachmittags und abends auftrat, wurde die Dosis ungleich verteilt: morgens niedriger, z. B. nahm ich an Tag 31 (230 mg/Tag) 50 mg, dann 90 mg, dann 90 mg.
Die hauptsächliche Messung der Ergebnisse bestand neben der Alkoholabstinenz in der subjektiven Einschätzung von Gleichgültigkeit gegenüber Alkohol (Reden, Anblick, Orte oder Geruch im Restaurant) unter allen Gegebenheiten (mit Stress oder Angst verbundene Situationen), Craving, Einengung des Denkens und Alkoholträumen.
Weitere Messungen beinhalteten die subjektive Einschätzung von Angst, Muskelspannung, Qualität des Schlafs, allgemeinem Wohlbefinden und Nebenwirkungen von Baclofen. Im dritten und im fünften Monat wurden Bluttests zur Erhebung von Blutwerten und Biochemie einschließlich Leberenzymen durchgeführt.
ERGEBNISSE
Ich habe seit dem 9. Januar 2004 nichts mehr getrunken. Die Entgiftung war mit weniger Beschwerden verbunden als unter Benzodiazepinen. Von Tag 1 an war die Angst deutlich reduziert, die Muskelverspannung besserte sich, und der Schlaf wurde erholsamer. Wenn Craving einsetzte, nahm ich zusätzlich 20–40 mg Baclofen, was innerhalb einer Stunde einen Zustand tiefer Entspannung herbeiführte, gefolgt von Schläfrigkeit. Während der Phase der tiefen Entspannung fiel es mir viel leichter, Techniken der KVT und der AA zu nutzen, um dem Trinken zu widerstehen. Während Cravings war das Wissen, dass ich den Kampf zuverlässig binnen 1 Stunde durch die zusätzliche Baclofen-Dosis beenden konnte, sehr hilfreich. Ab Tag 15 trat kein einziger Alkoholtraum mehr auf (sonst mehr als einmal pro Monat). An Tag 38 (14. Februar 2004), bei 270 mg/Tag Baclofen (3,6 mg/kg), verspürte ich zum ersten Mal in meinem Leben als Alkoholiker kein Craving und keinen Wunsch nach Alkohol mehr. Selbst im Restaurant in Begleitung von Freunden war es mir gleichgültig, dass andere Leute tranken. Das hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Schläfrigkeit hinderte mich daran, die Baclofen-Dosis weiter zu steigern, und die Einnahme zusätzlicher 20–40 mg war nicht erforderlich. Über 12 Tage hinweg blieb bei 270 mg/Tag Craving aus, und ich war gleichgültig gegenüber Alkohol. Unter diesen Gegebenheiten wurde Schläfrigkeit zu einer unangenehmen Nebenwirkung, weshalb ich die Dosierung schrittweise auf 120 mg/Tag (1,6 mg/kg) reduzierte, von Tag 49 bis Tag 63. Seit Tag 64 halte ich die Dosis um diesen Wert herum konstant mit gelegentlicher zusätzlicher Einnahme von 40 mg nach Bedarf in Stresssituationen. Schläfrigkeit ist seither nicht wieder aufgetreten, Muskelschwäche trat nie auf, andere Nebenwirkungen gab es nicht. Die Blutwerte blieben im Normbereich.
Am Ende meines neunten Monats mit vollständiger Freiheit von Symptomen der Alkoholabhängigkeit bin ich Alkohol gegenüber weiterhin gleichgültig. Abstinenz ist der natürliche Zustand für mich geworden. Ich richte mein Leben nicht mehr nach Alkohol aus. Gedanken an Alkohol treten nicht mehr auf. Ich habe persönliche und berufliche Projekte in Angriff genommen, was ich zuvor nicht konnte, weil ich immer mit den Folgen unvorhersehbarer Alkoholabstürze rechnen musste (Verabredungen absagen, wenn möglich, und Blackouts). Wie in der KVT erlernt, mied ich Orte, Situationen, soziale Konstellationen und Urlaubsgegebenheiten, wo Alkohol präsent sein könnte. Ich achte heute nicht mehr auf die Alkoholabteilungen in Supermärkten. Auf einige dieser Veränderungen haben mich Freunde und Verwandte hingewiesen.
Ich leide nicht mehr unter Angst vor einem Rückfall, vor peinlichen oder gefährlichen Situationen infolge von Alkohol. Ich bin nicht länger deprimiert, eine unheilbare, stigmatisierende Krankheit zu haben.
Die
Weitere Kostenlose Bücher