Das Ende meiner Sucht
erforderte tägliche Planung sowie konstante, volle Aufmerksamkeit.
Baclofen ist ein potenter Agonist am Gamma-Aminobuttersäure-Rezeptor (GABA B -Rezeptor) und wird klinisch zur Behandlung von Spastik eingesetzt (Davidoff, 1985).
Bei alkoholabhängigen Patienten erwies sich niedrig dosiertes Baclofen mit 30 mg/Tag (~0,5 mg/kg) als wirksam zur Förderung von Abstinenz, Reduzierung von Alkohol-Craving und -Aufnahme ohne einschränkende Nebenwirkungen (Addolorato et al., 2000, 2002a, b).
Bei Ratten unterdrückt Baclofen in bis zu zehnfach höherer Dosierung (5 mg/kg) die Selbstverabreichung von Kokain, den Antrieb zur Aufnahme von Alkohol und reduziert die Selbstverabreichung von Kokain, Alkohol, Heroin, Nikotin und D-Amphetamin (Roberts und Andrews, 1997; Shoaib et al., 1998; Xi und Stein, 1999; Colombo et al., 2000, 2003; Fattore et al., 2002; Brebner et al., 2004). Die Wirkungen sind bei jeder Substanz dosisabhängig. Bei Alkohol sind bis zu 3 mg/kg erforderlich.
Bei Multipler Sklerose verordnen Neurologen langfristig sicher hoch dosierte orale Baclofen-Gaben (270 mg/Tag) zur Behandlung von Spastik, umdie Patienten vor den Risiken einer invasiven intrathekalen [direkt ins Rückenmark verabreichten] Therapie zu schützen (Smith et al., 1991). Da seit 1967 Berichte über die sichere Anwendung von Baclofen vorliegen, zögern Neurologen nicht, bis zu 300 mg/Tag Baclofen zu geben, sofern nicht Schläfrigkeit und/oder Muskelschwäche die Behandlung limitieren (persönliche Mitteilung von John Schaefer, Cornell University Medical College). Bei der höchsten dokumentierten Überdosierung von Baclofen (akute Einnahme von 2 g) überlebte die Patientin (Gerkin et al., 1986).
Ich postulierte, dass die dosisabhängige Suppressionswirkung auf Menschen übertragbar sei und dass durch die Verabreichung von Baclofen beim Menschen in Dosierungen wie in den Tierversuchen eine kritische Dosis erreicht werden könnte, die bei Alkoholikern das Craving und den Antrieb, Alkohol zu konsumieren, unterdrücken und somit das Rückfallrisiko signifikant reduzieren könnte.
Baclofen wird außerdem erfolgreich bei Angststörungen eingesetzt (Breslow et al., 1989; Drake et al., 2003) und kann, wie gezeigt wurde, bestimmte affektive Störungen bei Alkoholpatienten lindern, darunter Angst und Depression (Krupitsky et al., 1993; Addolorato et al., 2002a, b). Angst ist eine sehr stark prävalente Komorbidität von Alkoholabhängigkeit (Grant et al., 2004) und konnte durch andere bei Alkoholabhängigkeit verabreichte Wirkstoffe (Disulfiram, Naltrexon, Acamprosat oder Topiramat) nicht effizient bekämpft werden. Ich nahm Baclofen >1 Jahr (2002–2003) zur Verminderung der Angst. Ich steigerte die Dosierung schrittweise bis auf 180 mg/Tag, was mein subjektives und allgemeines Wohlbefinden deutlich verbesserte, aber Craving und Alkoholrückfälle nicht unterdrückte. Da ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, dass höhere Dosierungen sicher sind, überschritt ich die 180 mg/Tag nicht.
Durch Studium der Literatur erkannte ich in der Folgezeit, dass Baclofen die einzige Monotherapie war, die in der Theorie Craving vollständig unterdrücken und gleichzeitig die Komorbidität Angst lindern konnte. Obwohl meine Ärzte skeptisch blieben, beschloss ich, mir selbst hoch dosiert Baclofen zu verschreiben bis zu einer Maximaldosis von 300 mg/Tag (4 mg/kg), solange keine einschränkenden Nebenwirkungen auftraten.
PATIENT UND METHODEN
Am 9. Januar 2004 war ich ein 50-jähriger französisch-amerikanischer männlicher Arzt mit Alkoholabhängigkeit und präexistenter Angst als Komorbidität.Seit 1997 hatte es zahlreiche notfallmäßige Hospitalisierungen gegeben, Aufenthalte auf Intensivstationen, Entgiftungen, jahrelange stationäre und ambulante Behandlungen. Ich habe keine Folgekrankheiten. An einem typischen Tag trank ich ~750 ml Scotch. Die Behandlung bestand aus 500 mg/Tag Disulfiram (ich trank auch während der Einnahme). Danach nahm ich hintereinander jeweils über 12–18 Monate Naltrexon (50 mg/Tag), Acamprosat (2 g/Tag) und Baclofen (180 mg/Tag). Anschließend versuchte ich über 3 Monate Topiramat (300 mg/ Tag). Naltrexon und Acamprosat wurden abgesetzt, weil sich keine erkennbaren Effekte auf Cravings und hinsichtlich Rückfallprophylaxe gezeigt hatten. Parallel dazu unterzog ich mich einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und besuchte Meetings der Anonymen Alkoholiker (AA). Ich ging zu etwa zwei Meetings pro Tag, rund 700 Meetings im Jahr, über einen
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