Das Ende meiner Sucht
damit die Wirkung aufhört und sie gewissermaßen wieder gefahrlos trinken können. Wirksam ist es nur bei einer Minderheit von Patienten. Sehr wenige Problemtrinker kommen mit Antabus zurecht, und ich gehörte nicht zu dieser kleinen Gruppe. Stattdessen spielte ich damit, wie es viele Patienten tun. Wenn ich mich auf eine Party am Wochenende freute, setzte ich es zu Beginn der Woche ab, damit bis dahin alles abgebaut war. Einmal gab ich dem wachsenden Verlangen nach und trank, obwohl das Medikament in meinem Kreislauf zirkulierte, mit der Folge, dass sich mein Gesicht rötete und das Herz wild zu klopfen begann. Als ich das meinem Psychiater erzählte und sagte, nach meiner Einschätzung sei es gefährlich für mich, Antabus zu nehmen, stimmte er mir zu und setzte es augenblicklich ab.
Ich versuchte es mit Akupunktur und Hypnose, beide Male war der Erfolg gleich null, und ich konsultierte einen sehr renommierten Spezialisten für kognitive Verhaltenstherapie (KVT), eine Behandlungsform, die mich, wie man mir versicherte, in die Lage versetzen würde, emotionale Situationen, in denen ich üblicherweise zum Alkohol griff, zu vermeiden oder zu bewältigen. Er schien mehr daran interessiert zu sein, aus mir, dem Rauschtrinker, der Schnaps konsumierte, einen gemäßigten Weintrinker zu machen.
Im Laufe der Zeit ging ich häufiger zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker, las über die Geschichte und Philosophie der AA und versuchte, allerdings erfolglos, das berühmte Programm der zwölf Schritte zu absolvieren. Ich profitierte sehr von den klugen Erkenntnissen der AA, aber weil ich fürchtete, dass meine agnostische Einstellung zur Religion verhindern könnte, dass das Programm bei mir wirkte, probierte ich es auch mit Rational Recovery (RR).
Das Konzept von RR sprach mich sehr an. Die zentralen Voraussetzungen sind, dass Alkoholismus keine biologische Erkrankung ist, sondern ein Verhaltensproblem, das der Betroffene mit seinen eigenen mentalen Ressourcen überwinden kann. Nach meiner Erfahrung erwiesen sich jedoch die »innere Macht«, die bei RR eine so große Rolle spielt, und die »größere Macht« der AA als ohnmächtig angesichts der überwältigenden Macht meines von Angst getriebenen Verlangens nach Alkohol. Entweder fehlte es mir entschieden an Willenskraft und/oder Spiritualität, oder meine Form des Alkoholismus hatte eine fundamentale biologische Komponente, die man mit Medikamenten würde angehen müssen.
Entschlossen, nichts zu versäumen, was vielleicht helfen konnte, betrieb ich regelmäßig Sport und Yoga, um mich zu entspannen und Angst abzubauen. Beides half mir, und aufs Ganze gesehen trug es dazu bei, mich gesund zu erhalten, aber gegen meine lebenslange chronische Angst und mein in letzter Zeit starkes Trinken konnte weder Sport noch Yoga etwas ausrichten.
Wenn ich nicht gerade betrunken war, absorbierte die Anstrengung, nicht zu trinken, meine ganze Zeit und Energie. Jeden Tag ging ich mindestens einmal zu den AA, praktizierte mehrere Male Selbsthypnose und telefonierte stundenlang mit Kontaktpersonen bei den AA und Freunden. Ich ging jeweils drei bis vier Mal pro Woche zu meinem Haupt-Psychiater und zu einem Akupunkteur, einmal pro Woche zur Verhaltenstherapie und alle zwei Wochen zu meinem Psychopharmakologen.
Ich sprach mit einem guten Freund und Kollegen am New YorkHospital über meine Alkoholsucht, Boris Pasche, einem begabten jungen Krebsforscher aus der Schweiz mit einem medizinischen und einem geisteswissenschaftlichen Doktortitel vom Karolinska-Institut in Schweden, der in Harvard ein Postgraduiertenstudium absolviert hatte. Inzwischen gehört Boris der medizinischen Fakultät der Northwestern University an und leitet dort das Programm für Krebsgenetik, außerdem kennt er sich sehr gut mit Homöopathie aus. Er behandelte mich kostenlos und experimentierte mit verschiedenen Kräutern und Mineralstoffen, die angeblich die Stimmung aufhellen, die Leberfunktion unterstützen, das Verlangen nach Alkohol dämpfen sollten und so weiter. Die einzige positive Wirkung war, dass ich Boris’ Freundschaft und Unterstützung erhielt.
Boris erzählte mir, in Europa sei kürzlich ein Medikament auf den Markt gekommen, das das Verlangen nach Alkohol dämpfen sollte: Acamprosat. Er fasste seine Erkenntnisse darüber in den Worten zusammen: »Scheint genau das Richtige für dich zu sein.« Acamprosat (Handelsname Campral) war in Frankreich bereits erhältlich, und ich bat meine Mutter, mir
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