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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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Willenskraft, egal wie stark, gegen eine schwere Abhängigkeit nichts ausrichten kann. Auch das leuchtete mir ein. Ich entdeckte tiefe Weisheit im ersten von den zwölf Schritten der AA: »Wir gaben zu, dass wir dem Alkohol gegenüber machtlos sind – und unser Leben nicht mehr meistern konnten.«
    Eines schienen die Alkoholiker, die ich bei den AA traf, gemeinsam zu haben: Sie alle sagten, sie würden trinken, um einen lebenslang bestehenden Schmerz zu lindern, in der Regel verbunden mitAngst, einer affektiven oder Persönlichkeitsstörung. Ich fand das bemerkenswert.
    Die Tatsache, dass jeder Alkoholiker anscheinend wie ich eine der Sucht vorausgehende Erkrankung hatte, bestärkte mich in dem Gedanken, Alkoholismus müsse im Grunde doch eine biologische Krankheit sein. Und weil es eine biologische Krankheit war, konnten Willenskraft und positives Denken allein nichts ausrichten; Medikamente waren nötig.
    In den letzten Tagen meines Krankenhausaufenthalts keimte in mir die Hoffnung auf, das Schlimmste sei vorbei. Ohne die tägliche Routine mit ihren Auslösern für Angst und Trinken und angeregt durch meine Gespräche mit John Schaefer und Liz Khuri und ihr Vertrauen, dass ich wieder ganz gesund werden könne, verspürte ich eine tiefe innere Ruhe und geistige Klarheit. Bill W., der Mitbegründer der AA, beschrieb in seinen Büchern dieses Gefühl als Vorboten des geistigen Erwachens, das ihn zu lebenslanger Abstinenz geführt hatte. Bei AA-Meetings hörte ich ähnliche Berichte.
    Bei Liz Khuris nächstem Besuch erzählte ich ihr, wie es mir ergangen war, und sagte: »Ich habe mich immer für einen Agnostiker gehalten, aber ich spüre ein spirituelles Erwachen. Mein Gefühl sagt mir, dass ich nicht mehr trinken werde.«
    Liz erwiderte: »Das Gefühl, das Sie beschreiben, passt zu dem, was wir über ein spirituelles Erweckungserlebnis bei Menschen mit einer Sucht wissen. Es könnte eine Art Wunder sein, und nach dem, was Sie durchgemacht haben, hätten Sie es verdient. Denken Sie an das, was ich Ihnen immer wieder sage: Sie sind ein Kind des Universums, und vielleicht kümmert sich das Universum jetzt um Sie.«
    Mit vorsichtigem Optimismus, der an echtes Vertrauen grenzte, bereiteten Liz und ich meine Entlassung aus dem Krankenhaus nach 13-tägiger stationärer Behandlung vor. Ich sollte weiter als ambulanter Patient zu ihr gehen und außerdem nach einem Monat zur routinemäßigen Nachuntersuchung zu John Schaefer.
    Bevor ich das Krankenhaus verließ, sagte ich zu John, ich würdesehr gerne an der Cornell einen Vortrag halten, um anderen Ärzten von meinen Erfahrungen zu berichten und alle mit einer Abhängigkeit zu ermutigen, dass sie Hilfe suchten.
    »Das ist ein nobles Angebot, mein Lieber«, sagte er, »aber du solltest es erst machen, wenn du fünf Jahre trocken warst und wirklich über den Berg bist. Viele Ärzte betrachten Alkoholismus immer noch als eine Schwäche und nicht als eine Krankheit, und einige werden versuchen, alles, was du sagst, gegen dich zu verwenden. Am besten hältst du dich bedeckt, bis du die Sache wirklich überwunden hast.«
    Obwohl ich John Schaefers Warnung im Ohr hatte, war die nächste Woche sehr schön. Meine Stimmung besserte sich von Tag zu Tag, weil ich mich auf die Rückkehr in mein normales Leben und bald auch zu meiner kardiologischen Tätigkeit freute, befreit von der Last des Verlangens nach Alkohol. Ich genoss das Klavierspiel und Joans Gesellschaft, und wir verbrachten ein herrliches Wochenende in einem eleganten viktorianischen Hotel an einem See im Bundesstaat New York.
    Und dann, ohne zu wissen warum, trank ich wieder.
    Rückblickend kann ich sagen, dass es damit zusammenhing, dass ich mir übermäßig Gedanken über die Zukunft machte, und mit der Aufregung und Nervosität kehrte die Angst zurück, meine Praxis würde nicht genug abwerfen und ich könnte Joan nicht das lebenslange Versprechen geben, das sie von mir haben wollte. Jedenfalls war ich, aus welchem Grund auch immer, wieder betrunken, und trotz meiner Proteste reagierte Joan über und rief den Krankenwagen. Aus ihrer Sicht war die Entscheidung verständlich, schließlich hatte sie meine Anfälle beim akuten Entzug gerade einmal drei Wochen zuvor miterlebt. Als der Krankenwagen kam, war ich wütend, aber auch zu erschöpft, um mich zu wehren, und wenig später fand ich mich zur Entgiftung in der Notaufnahme des New York Hospital wieder.
    Liz Khuri ordnete an, dass ich von der Notaufnahme direkt in eine

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