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Das Ende meiner Sucht

Das Ende meiner Sucht

Titel: Das Ende meiner Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olivier Ameisen
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Wenn das deine Hilfe ist, dann ist es aus.«
    Am nächsten Nachmittag brachte sie mir einen kleinen Koffer. Zitternd schaute ich hinein und war sehr erleichtert, als ich sowohl meine Kreditkarte als auch meinen Pass sah. Ich dankte Joan, die sich eindeutig Sorgen machte über das, was ich vorhatte.
    Beflügelt durch meinen Plan, den ich eines Drehbuchs für einen Hitchcock-Krimi würdig fand, schlief ich in der Nacht relativ gut.
    Am Montagmorgen übergab mich die psychiatrische Station von Lenox Hill in die Obhut des Fahrers, der mich nach Marworth bringen sollte. Er war ein netter Kerl, und nach ein paar Minuten Gespräch wusste ich, dass er trockener Alkoholiker war und die Welt mit den Augen der Anonymen Alkoholiker betrachtete.
    Es war schön, die Sonne schien, am Tag zuvor hatte Frankreich zum ersten Mal die Fußballweltmeisterschaft gewonnen. Ich hattenach dem Spiel meine Mutter angerufen, und sie hielt das Telefon aus dem Fenster, damit ich hören konnte, wie die Menschen auf den Straßen von Paris den Sieg feierten. Meine Stimmung war trotzdem gedrückt. Ich sah, dass der Van einen CD-Player hatte, und dachte, ein bisschen Musik könnte mich aufheitern. Auf meine Bitte hin hatte Joan einige meiner Lieblingsaufnahmen von klassischen Stücken und anderen eingepackt.
    »Ich habe ein paar CDs dabei.«
    Der Fahrer unterbrach mich sofort. »In Marworth dürfen Sie keine Musik hören. Das ist gegen die Regeln.«
    »Tatsächlich? In anderen Kliniken war Musik erlaubt.«
    »Es verstößt gegen die Grundsätze von Marworth. Sie sagen, es lenkt einen von der Genesung ab.«
    Ich war fassungslos. Ich dachte: Ich bin fünfundvierzig, und mein Leben ist vorbei. Mein Ruf ist ruiniert. Meine Praxis ist pleite. Meine ärztliche Zulassung für New York steht auf der Kippe. Es ist das Ende dessen, was einmal eine herrliche Karriere hätte werden können. Man zwingt mich, in eine Einrichtung zu gehen, wo ich ein Vermögen für eine nutzlose Behandlung bezahlen werde, und dann darf ich nicht einmal Musik hören?!
    Der Fahrer unterbrach mich in meinen Gedanken. »Bis Marworth sind es noch mindestens zwei Stunden. Möchten Sie jetzt etwas hören? Ich habe selbst ein paar CDs dabei.«
    Er hatte eine Aufnahme von Beethovens 5. Klavierkonzert, und ich bat ihn, den zweiten Satz einzustellen. Bei den ersten Takten traten mir Tränen in die Augen. Ich fühlte mich, als rauchte ich die letzte Zigarette, bevor das Erschießungskommando anlegte und feuerte.
    Marworth war ein hübsches altes Gut, das man zu einer Therapieeinrichtung umgebaut hatte, es gefiel mir auf Anhieb. Ich hielt an meinem Fluchtplan fest und gedachte auf neutralen schweizerischen Boden zu entkommen, aber die Leute bei der Aufnahme waren sehr freundlich und gratulierten mir sogar zu Frankreichs Sieg.
    »Und morgen ist unser Nationalfeiertag, Jahrestag des Sturms auf die Bastille.«
    Sie baten um meine Kreditkarte, ich gab sie ihnen. Ich würde ihnen 24 Stunden Zeit lassen, und wenn es schlimm war, würde ich dann einen Weg finden, zu verschwinden. Mit tiefem Bedauern händigte ich ihnen meinen CD-Player und die CDs aus. Dann sprachen mich zwei andere Ärzte an, die ebenfalls zum Entzug dort waren, und führten mich ein bisschen herum, und ich konnte mir vorstellen, zu bleiben.
    Es fiel mir jedoch sehr schwer, zur Ruhe zu kommen und mich einzugewöhnen, viel schwerer als bei früheren Aufenthalten in Entzugskliniken, weil sie in Lenox Hill meine Valiumdosis bis zu meiner Entlassung auf null reduziert hatten. Die Leute in Marworth sagten, sie wollten mir kein Valium geben, denn »es ist eine stimmungsverändernde Droge und wird Sie in Abhängigkeit halten«. Das Ergebnis war, dass ich mich die ersten zehn Tag panisch und verwirrt fühlte, so sehr, dass ich kurzzeitig behauptete, ich sei gar nicht Alkoholiker, sondern Opfer einer Verwechslung.
    Die gelassene Fassade, die ich sonst der Welt zeigte, half mir hier nicht. Ich sagte den Betreuern, wie ich mich fühlte, und sie erwiderten: »Sie sehen ruhig aus. Ihre Symptome scheinen nicht so schlimm zu sein.« Wahrscheinlich dachten sie, ich sei ein Schwindler, während ich in Wahrheit nicht schlafen konnte und Tag und Nacht so unter Stress stand, dass ich dachte, ich würde einen Herzinfarkt bekommen.
    Am Tag nach meiner Ankunft sagte mir ein Therapeut: »Das CPH möchte, dass Sie einen Fünfjahresvertrag unterzeichnen, in dem Sie Kontrollen zustimmen, dass Sie keinen Alkohol und keine anderen Drogen konsumieren.«
    Die

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