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Das Ende

Das Ende

Titel: Das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Alten
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wir gestorben waren. All der Schmerz, all die Leere. Hast du auch nur einen einzigen Augenblick der Freude erlebt, seit wir dir genommen wurden?«
    Er kniff die Augen zusammen, um die Tränen abzuschütteln. »Nein.«

    »Krieg … Hungersnöte. Endloses Leid. Sollte sich so ein liebevoller Vater oder eine liebevolle Mutter gegenüber ihren Kindern verhalten?«
    »Nein. So ganz bestimmt nicht.«
    »Es geht im Leben nicht darum zu leiden. Es geht darum, seinem Verlangen nachzugeben. Frag die Reichen und Mächtigen, ob sie leiden. Dieses Strandhaus ist das perfekte Beispiel. Hätte ich auf dich gehört und dir erlaubt, es zu kaufen, wären deine Tochter und ich nie in diesem Flugzeug gewesen. Du hattest recht, und ich hatte unrecht, aber du warst es, der den höchsten Preis für unsere Ignoranz bezahlen musste.«
    »Oh Gott …«
    »Vergiss Gott. Gott ist nichts als ein geistiges Konzept … eine fiktive Gestalt, die irgendwo auf einem Thron sitzt und ständig über ihren eigentlichen Aufgaben einschläft. Wir haben Gott nie gebraucht. Während Seiner Abwesenheit ist der Widersacher stark geworden. Der Widersacher bietet uns das Geschenk der Unsterblichkeit ohne irgendwelche versteckten Prüfungen an.«
    »Was muss ich tun, damit … du weißt schon … damit wir wieder zusammen sind?«
    »Zunächst einmal, hör auf, dir ständig Sorgen zu machen. Gewalt spielt dabei keine Rolle. Du musst niemanden umbringen. Du musst einfach nur mit mir anstoßen. « Sie griff nach einer Weinkaraffe und goss etwas von der roten Flüssigkeit in einen goldenen Kelch.
    »Mit dir anstoßen? Auf wen? Auf Luzifer?«
    »Baby, du musst aufhören, dir so viele Horrorfilme anzusehen.« Sie setzte sich rittlings auf ihn. Noch immer hatte sie den Weinkelch in der rechten Hand. »Erinnerst du dich an den Lateinkurs, den wir im zweiten Studienjahr zusammen belegt haben? Weißt du noch, was das
lateinische Wort Luzifer bedeutet? Licht-Bringer. Luzifer war kein gefallener Engel, Shep. Er wurde ausgesandt, um das Licht in unsere Welt zu bringen – und zwar durch das, was wir selbst tun, durch unsere eigenen Handlungen. Ich meine, im Ernst: Sieht das hier für dich etwa wie die Hölle aus?«
    »Nein.«
    »Dann trink mit mir. Wir wollen uns an dem Saft der Weinrebe berauschen und eine Verbindung mit dem Licht herstellen.«
    Eine Verbindung mit dem Licht …
    Sheps Herz raste, als er sich an eine ähnliche Unterhaltung erinnerte, die er einige Stunden zuvor mit Virgil auf dem Friedhof gehabt hatte. »Noah beging einen letzten Fehler. Es war derselbe Fehler, den auch Adam begangen hatte. Die Frucht, die Adam in Versuchung führte, war kein Apfel, sondern eine Traube, oder vielmehr der Wein, der aus den Trauben stammt. Wein kann missbraucht werden und den Menschen mit Bewusstseinsebenen in Berührung bringen, auf denen sich eine Verbindung mit dem Licht nicht aufrechterhalten lässt …«
    Er schob den Kelch beiseite. »Und wenn ich hier betrunken liege, dann kastrierst du mich?«
    Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Shep, Liebling, wovon sprichst du denn da?«
    »Das weißt du genau. Ich rede davon, wie mein Sohn Ham mich kastriert hat, als ich betrunken und nackt in der Arche lag.«
    Ihr Blick wurde hart. Es war, als schleuderten ihre Augen Dolche auf Shep. »Trink den Wein, Patrick.«
    » Du wirst ihn trinken, Seelengefährtin .« Er schleuderte sie von seinem Schoß herab und stand auf. Der Wein strömte aus dem Kelch über ihr Gesicht und ihren Hals
und zwischen ihren Brüsten hindurch und – ließ das Fleisch schmelzen und legte den vom Alter dunklen Schädel frei, in dessen runden Höhlen Tausende Augen zuckten.
    Die Umgebung zerbarst wie ein Spiegelkabinett und enthüllte eine gewaltige dunkle Grube, über der die skelettartigen Trümmer des World Trade Center in den Himmel ragten. Shep stand auf einem gefrorenen See, aus dem Tausende hin und her schwankende Köpfe ragten, während die dazugehörigen Körper im Eis darunter feststeckten. Verräterische Betrüger der Menschheit, die in Zungen redeten. Jedes verzerrte Wort schuf einen winzigen Lichtfunken, der wie ein Glühwürmchen durch die erstickende Luft flog und von der gewaltigen, erstarrten Kreatur aufgesaugt wurde, die sich in der Mitte des Sees befand.
    Luzifer steckte bis zur Brust im Eis fest, und doch ragten seine Schulter und seine drei Köpfe zehn Stockwerke hoch über die gefrorene Oberfläche des Sees auf. Der geflügelte Dämon war ein entsetzlicher Anblick, doch das Wesen selbst

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