Das Ende
Wind ab. »Wir müssen ein anderes Boot finden.«
»Es gibt keine anderen Boote«, rief David. »Es gibt keine weitere Möglichkeit, die Insel zu verlassen, es sei denn, man würde schwimmen. Aber ohne Neoprenanzug würde man nach zwei Minuten unterkühlen und ertrinken. «
Dawn Patel saß auf einer Parkbank neben ihrer Mutter. Das Mädchen musterte Patrick Shepherds Armprothese. »Mutter, das ist merkwürdig. Sieh dir die hebräischen Buchstaben an. Sie bilden lauter Dreiergruppen. «
»Darf ich?« Der tibetische Mönch lächelte das Mädchen entwaffnend an. Pankaj trat ebenfalls hinzu und musterte über die Schulter des Asiaten hinweg die eingravierten Buchstaben. »Das ist höchst erstaunlich. Das ist kein Hebräisch. Das ist Aramäisch.«
»Na und?«, erwiderte Manisha. »Pankaj, komm her zu deiner Familie.«
»Einen Augenblick. Was ist daran so erstaunlich?«
»Pankaj, Aramäisch ist ein metaphysisches Werkzeug, das vom Schöpfer benutzt wurde. Es ist die einzige Sprache, die Satan nicht verstehen kann.«
»Diese Buchstaben … Sie waren zuvor noch nicht da.«
»Sind Sie sicher?«
»Nachdem Patrick meine Familie gerettet hatte, habe ich geholfen, ihn vom Belvedere Castle wegzutragen. Die Gravur war noch nicht da. Ich bin mir ziemlich sicher. Können Sie die Botschaft lesen?«
»Das ist keine Botschaft, Pankaj, und das sind auch keine Worte, die sich übersetzen ließen. Was hier in den Stahl gegraben wurde, sind die zweiundsiebzig Namen Gottes.«
»Was haben Sie gesagt? Zeigen Sie mal her.« Paolo ließ seine Frau mit dem neugeborenen Sohn stehen und ging zu den anderen. »Woher wissen Sie, dass das die zweiundsiebzig Namen sind?«
»Ich sehe diese Worte jeden Tag vor mir. Jeder dieser Buchstaben gehört zu den Namen, die in den drei Versen in Exodus, Kapitel 14, Vers 19 bis 21, verschlüsselt sind. Dieser Abschnitt der Tora beschreibt die Teilung des Roten Meeres durch Moses.«
Paolo nahm dem Tibeter den stählernen Arm aus den Händen und starrte die Buchstaben an. »Das war nicht Moses. Virgil hat gesagt, dass das Rote Meer in Wahrheit von einem anderen, tief gläubigen Mann geteilt wurde.«
»Sie haben recht. Die wahre Geschichte der Israeliten, die ihre Knechtschaft abschütteln wollten, hatte nichts mit Sklaverei zu tun. Es ging vielmehr darum, Chaos, Schmerz und Leid zu entfliehen. Die Teilung des Roten Meeres war kein Wunder, sondern eine Manifestation – eine Wirkung, die durch die Fähigkeit verursacht wurde, die zweiundsiebzig Namen in Moses’ Stab als übernatürliches Werkzeug zu benutzen und die Materie durch den Geist zu kontrollieren.«
»Glauben Sie, dass Patrick der Gerechte war, den Gott auserwählt hat, um die Menschheit zu erlösen?«
David und Gavi näherten sich den anderen. »Worüber redet ihr?«
»Es könnte sein, dass die Rolle, die dein Freund beim Ende der Tage spielt, einem höheren Zweck dient«, erklärte Pankaj.
»Hört zu, Leute. Über das Ende der Tage und ähnlichen Kram weiß ich nichts, aber ich habe Patrick Shepherd gekannt, und glaubt mir: Er war ganz sicher keiner der Gerechten.«
Paolo starrte den stählernen Arm an. Er zitterte am ganzen Leib. Seine Gedanken rasten … Er grübelte.
Mit dem Baby auf dem Arm trat Francesca zu ihm. »Paolo, was ist?«
»Warte hier.« Er umklammerte die Armprothese und ging aufs Wasser zu.
»Paolo, was tust du da? Paolo, bist du verrückt?«
Die Überlebenden versammelten sich um Paolo, der die stählerne Armprothese in den Himmel hob. Er zögerte. Dann ging er entschlossen die Bootsrampe hinab in den Hafen.
Die Berührung mit dem eisigen Wasser traf ihn wie ein elektrischer Schlag. Sie presste ihm die Luft aus der Lunge und ließ sein Blut und seine Arme und Beine bleischwer werden. Mühsam schob er sich bis zu den Hüften in die Fluten, bis er schließlich eine unsichtbare Schwelle überschritt und plötzlich unter Wasser sank.
Francesca schrie auf.
Nur Sekunden später tauchte der Kopf ihres Mannes wieder auf. Starr vor Kälte schnappte er nach Luft, während er zur Rampe zurückschwamm. David und Pankaj packten ihn bei den Armen und zogen den frommen Mann in Sicherheit.
Gavi rannte zum Bus, um eine Decke zu holen.
Sheridan Ernstmeyer lachte. »So viel zum direkten Eingriff Gottes in den Lauf der Welt.«
Der tibetische Mönch trat auf Paolo zu, der am Ufer kniete und nach Atem rang. »Mr. Minos, warum haben
Sie versucht, das Wasser des Hafens zu teilen? Wie kamen Sie auf die Idee, dass Sie einer solchen
Weitere Kostenlose Bücher